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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn
Autoren: Unbekannter Autor
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der Concorde.«
    »Darum geht es doch gar nicht.«
    »Nana, Superintendent.« Sie klopfte sich mit den Fingerspitzen auf den Mund, als wolle sie ein Lächeln verbergen. »Wenn Alex Poker spielt, wissen Sie, dann benutzt er immer einen Ausdruck, der mir gefällt: >Das letzte As aus dem Ärmel ziehen.<« Ihr Lächeln war bezaubernd, sie wirkte um Jahre jünger.
    »Oje. Merken Sie was, Wiggins? Wird hier etwa ein Polizeibeamter bestochen?«
    »Wie bitte, Sir?«
    »Denken Sie doch mal an die ganze Arbeit, die ich für Sie in Castle Howe getan habe .« Sie rauchte und sah ihn an. »Mit gehöriger Unterstützung von Mr. Plant. Wie geht’s ihm? So ein kluger Mann.«
    Jury lächelte. »Ja, das ist er. Und gehe ich recht in der Annahme, Lady Cray, Sie haben -«
    »- das letzte As aus dem Ärmel gezogen.«
Kapitel 6
    Wiggins lugte in das Spiegelglasfenster im Starrdust, während er eine vegetarische Pampe mampfte, die er bei Cranks in Covent Garden erstanden hatte, und versuchte, sich zwischen einem kleinen Jungen mit Igelfrisur und einem kleinen Mädchen mit übergroßer Brille und winzigem Gesicht dichter ans Fenster zu drängeln.
    »Würden Sie sich das einmal anschauen, Sir?« Die Starrdust-Zwillinge, Joy und Meg, hatten sich beim Schaufensterdekorieren mal wieder selbst übertroffen. Mit einer Replik des Marktes in Covent Garden - nicht des neuen auf der anderen Straßenseite mit seinem Sammelsurium an Boutiquen, Naturkostläden und postmodernen NeonKneipen, sondern des Marktplatzes, wie er im neunzehnten Jahrhundert ausgesehen hatte. In Jury stieg eine Welle von Wehmut auf, als er die Obst- und Gemüsestände betrachtete, übervoll mit Miniaturkohlköpfen, die Blumenhalle mit den Blumenverkäufern, die Trägerfigürchen, die Körbe auf den Köpfen balancierten oder Karren schoben. Er spürte beinahe die Geschäftigkeit, roch den Fisch und das Wildbret - es war einmal ein Areal von mehr als achttausend Quadratmetern gewesen.
    Der Besitzer des Starrdust war Astrologe und Antiquar, und angesichts dessen, daß der Laden nur mit himmlischen, astrologischen oder sonstwie überirdischen Dingen handelte (von denen nicht das geringste die Tatsache war, daß Carole-Anne Palutski in ihrem Seidenzelt wahrsagte), wunderte sich Jury über diesen Rückblick in die Geschichte Londons. Und während er sich noch wunderte, wechselte das Bühnenbild von hell zu dunkel, und der bis dahin fast unsichtbare Vorhang hob sich über einer Szene mit engen, dunklen Gassen, einem Platz mit einer Pferdekutsche und Gaslaternen.
    Die Kinder schnappten nach Luft und klatschten. Wiggins auch.
    Wenn man das Starrdust betrat, ging man allerdings nicht in der Zeit zurück, sondern aus ihr heraus, als schreite man durch eine Tür in den weiten, tiefblauen Himmel und die glänzend weißen Wolken eines surrealistischen Gemäldes. Von dem Decken-Himmel strömte und funkelte Licht, und unzählige Planeten und die Milchstraße leuchteten und erblaßten, je nachdem, ob die verborgenen Lampen dahinter heller oder dunkler schienen. Der Laden war lang und schmal und am Ende vollkommen dunkel bis auf eine blaue Neonleuchtschrift, die »HorrorScope« verkündete. Die Schrift mußte neu sein, Andrew Starr hatte sie wohl für das puppenhausähnliche Gebilde dort entworfen. Diesen Teil des Ladens mochten die Kinder am liebsten. Starr war Ende dreißig, ein Mann, der der Kindheit nie entwachsen zu sein schien. Vielleicht war er deshalb der einzige Ladenbesitzer, von dem Jury wußte, daß er Kinder nie hinauswarf, die nicht in Begleitung Erwachsener kamen.
    »Super!«
    Aus dem Dunkel schritt Carole-Anne Palutski heran, in der Hand einen Teller mit einem gigantischen Stück Kokoskuchen, das sie im Gehen in sich hineinschaufelte. »Wollen Sie was abhaben?« Sie hielt ihm eine Gabel voll entgegen.
    »Nein, danke, Madame Zostra. Wie immer sehen Sie hinreißend aus.«
    Madame Zostra, Wahrsagerin trügerischer Schicksale, die sie neuerdings aus der Hand las, wenn es ihr beim Tarot zu langweilig wurde, befand sich in ihrer präraffaelitischen Phase. Die Haremszeiten mit blanker Taille, Gazepluderhosen, Chiffonschals und bimmelnden Glöckchen an den Fußknöcheln waren zunächst dem spanischen Einfluß gewichen: Mantillas und juwelengespickten Kämmen; die wiederum hatte sie aus Liebe zur Epoche König Artus’ und zum Guinevra-Look aufgegeben.
    Aber nun waren Rossetti und Burne-Jones angesagt: lange fließende Gewänder, formlos bis auf die Formen, die Carole-Anne ihnen verlieh,
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