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Fremd fischen

Fremd fischen

Titel: Fremd fischen
Autoren: Emily Giffin
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als nichts.
    Im«7B»werden die letzten Bestellungen angenommen. Wir holen uns noch zwei Bier und gehen zurück in unsere Nische. Etwas später sitzen wir wieder im Taxi und fahren auf der First Avenue nordwärts. Dex sagt dem Fahrer, dass er zweimal halten muss, weil wir an gegenüberliegenden Seiten des Central Park wohnen. Er hält Darcys Tasche fest, und sie sieht in seinen großen Händen klein und deplatziert aus. Ich werfe einen Blick auf das silberne Zifferblatt seiner Rolex. Ein Geschenk von Darcy. Es ist kurz vor vier.
    Zehn oder fünfzehn Blocks weit sitzen wir schweigend nebeneinander, und jeder schaut aus seinem Fenster – bis das Taxi durch ein Schlagloch oder über eine Delle fährt, sodass ich in die Mitte des Rücksitzes geschleudert werde. Mein Bein berührt seins. Und plötzlich, aus heiterem Himmel, küsst Dex mich. Oder vielleicht küsse ich ihn. Irgendwie küssen wir uns jedenfalls. Ich denke an nichts mehr und lausche den sanften Geräuschen unserer Lippen, die sich immer
wieder berühren. Irgendwann klopft Dex an die Plexiglastrennwand und sagt dem Fahrer zwischen zwei Küssen, dass er doch nur einmal zu halten braucht.
    Wir halten Ecke 3rd und 73rd, wo mein Apartment ist. Dex gibt dem Fahrer einen Zwanziger und wartet nicht auf das Wechselgeld. Wir stolpern aus dem Taxi und küssen uns auf dem Gehweg und dann vor José, meinem Portier. Wir küssen uns während der ganzen Aufzugfahrt. Ich stehe an die Aufzugwand gepresst, und meine Hände umfassen seinen Hinterkopf. Ich bin überrascht, wie weich sein Haar ist.
    Ich fummle mit dem Schlüssel und drehe ihn falsch herum im Schloss, während Dex die Arme um meine Taille schlingt und mit den Lippen meinen Hals und meine Wange berührt. Endlich kriege ich die Tür auf, und wir küssen uns mitten in meinem Ein-Zimmer-Apartment, aufrecht stehend und aneinander gelehnt. Wir stolpern hinüber zu meinem stramm gemachten Bett.
    « Bist du betrunken?»Seine Stimme ist ein Flüstern im Dunkeln.
    « Nein», sage ich. Denn man sagt immer Nein, wenn man betrunken ist. Und obwohl ich es bin, habe ich einen klaren Augenblick, in dem ich mir überlege, was mir in meinen Zwanzigern gefehlt hat und was ich mir für die Dreißiger wünsche. Mir wird klar, dass ich in dieser bedeutungsvollen Geburtstagsnacht in gewissem Sinne beides haben kann. Dex kann mein Geheimnis sein, meine letzte Chance, ein dunkles Kapitel als Twentysomething zu erleben, und er kann auch eine Art Vorspiel sein – die Verheißung, dass einer wie er kommen wird. Darcy kommt mir in den Sinn, aber sie wird zurückgedrängt und überwältigt von einer Macht, die stärker ist als unsere Freundschaft und
mein Gewissen. Dex schiebt sich auf mich. Meine Augen sind zu, dann offen, dann wieder zu.
    Und dann schlafe ich plötzlich mit dem Verlobten meiner besten Freundin.

Ich wache auf, weil das Telefon klingelt, und eine Sekunde lang weiß ich in meiner eigenen Wohnung nicht, wo ich bin. Dann höre ich Darcys hohe Stimme auf meinem Anrufbeantworter, und sie drängt mich: Nimm ab, nimm ab, bitte nimm ab . Jäh steht mir unser Verbrechen vor Augen. Ich fahre zu hastig hoch, und mein Apartment dreht sich. Dex hat mir den muskulösen, sparsam mit Sommersprossen gesprenkelten Rücken zugewandt. Ich stoße ihn hart mit dem Finger an.
    Er dreht sich um und schaut mich mit einem offenen Auge an.«O Gott! Wie spät ist es?»
    Mein Radiowecker sagt uns, dass es viertel nach sieben ist. Ich bin seit zwei Stunden dreißig. Ich korrigiere: seit einer Stunde. Ich bin in einer anderen Zeitzone geboren.
    Dex springt auf und rafft seine Sachen zusammen, die zu beiden Seiten meines Bettes verstreut liegen. Der Anrufbeantworter piept zweimal und hängt Darcy ab. Sie ruft wieder an und erzählt drauflos, dass Dex nicht nach Hause gekommen ist. Wieder schneidet die Maschine ihr mitten im Satz das Wort ab. Sie ruft ein drittes Mal an und heult:«Wach auf und ruf mich an! Ich brauche dich!»
    Ich will aufstehen und merke, dass ich nackt bin. Ich
setze mich wieder hin und bedecke mich mit einem Kissen.
    « Ogottogott! Was machen wir jetzt?»Meine Stimme ist heiser und zittrig.«Soll ich rangehen? Ihr sagen, dass du hier gepennt hast?»
    « Nein, verflucht! Geh nicht ran – lass mich einen Augenblick nachdenken.»Er setzt sich in Boxershorts auf die Bettkante und reibt sich das Kinn, das jetzt einen Bartschatten hat.
    Ernüchterndes, Übelkeit erregendes Entsetzen überkommt mich. Ich fange an zu weinen. Was nie hilft.
    «
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