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Fremd fischen

Fremd fischen

Titel: Fremd fischen
Autoren: Emily Giffin
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deshalb denke ich unruhig an meine Zukunft
und ein bisschen reumütig an meine Vergangenheit. Ich sage mir, dass ich morgen auch noch Zeit zum Nachdenken habe. Jetzt will ich mich vergnügen. Für einen disziplinierten Menschen ist so was eine einfache Entscheidung. Und ich bin überaus diszipliniert – ich war ein Kind, das freitagnachmittags gleich nach der Schule seine Hausaufgaben gemacht hat, und bin eine Frau (denn von morgen an bin ich in keinerlei Hinsicht mehr ein Mädel), die sich jeden Abend mit Zahnseide die Zähne pflegt und jeden Morgen ihr Bett macht.
    Darcy kommt mit dem Tequila zurück, aber Dex will seinen nicht haben, und deshalb besteht Darcy darauf, dass ich zwei trinke. Ehe ich mich versehe, kriegt der Abend etwas Verschwommenes – wie wenn man von«beschwipst»zu«betrunken»hinüberwechselt und den Überblick über die Zeit und den genauen Ablauf eines Abends verliert. Darcy hat diesen Punkt anscheinend schon erreicht, denn jetzt tanzt sie auf der Bar. Dreht und windet sich in einem kleinen roten Trägerkleidchen und auf dreizölligen Absätzen.
    « Die stiehlt dir die Show auf deiner eigenen Party», tuschelt Hillary, meine beste Freundin in der Firma.« Sie ist schamlos.»
    Ich muss lachen.«Ja. Aber das ist normal.»
    Darcy stößt einen spitzen Schrei aus, verschränkt die Hände über dem Kopf und wirft mir einen Komm-her-Blick zu, der jedem Mann gefallen würde, der je von Girl-on-Girl-Action geträumt hat.«Rachel! Rachel! Komm her!»
    Natürlich weiß sie, dass ich nicht kommen werde. Ich hab noch nie auf einem Tresen getanzt. Ich wüsste gar nicht, was ich da oben machen sollte – außer runterfallen. Ich schüttle den Kopf und lehne höflich lächelnd ab. Wir alle warten auf ihre nächste Aktion,
die darin besteht, dass sie ihre Hüften im Takt der Musik schwenkt, sich langsam vorbeugt und dann den Oberkörper wieder hochschnellen lässt, sodass ihre langen Haare in alle Himmelsrichtungen fliegen. Das geschmeidige Manöver erinnert mich an ihre perfekte Imitation von Tawny Kitaen in dem Whitesnake-Video zu«Here I Go Again» – wie sie auf der Motorhaube des BMWs ihres Vaters herumrollte und Spagat machte, zum Entzücken der pubertierenden Nachbarsjungen. Ich werfe einen Blick zu Dex hinüber. Er weiß in solchen Augenblicken nie, ob er amüsiert oder ver ärgert sein soll. Zu behaupten, der Mann habe Geduld, wäre untertrieben. Das haben Dex und ich gemeinsam.
    « Happy Birthday, Rachel!», schreit Darcy herüber.« Trinken wir alle auf Rachel!»
    Was alle tun. Ohne den Blick von ihr zu wenden.
    Im nächsten Augenblick fegt Dex sie von der Bar, wirft sie sich über die Schulter und bringt sie in einer einzigen fließenden Bewegung vor mir zu Boden. Offenbar tut er das nicht zum ersten Mal.«Okay», verkündet er,«ich bringe unsere kleine Partyplanerin nach Hause.»
    Darcy grapscht ihr Glas von der Theke und stampft mit dem Fuß auf.«Du bist nicht mein Boss, Dex! Oder, Rachel?»
    Während sie ihre Unabhängigkeit erklärt, stolpert sie und lässt ihren Martini auf Dex’ Schuhe schwappen.
    Dex zieht eine Grimasse.«Du bist hinüber, Darcy. Das findet niemand mehr lustig außer dir.»
    « Okay, okay. Ich gehe … Mir ist sowieso irgendwie schlecht», sagt sie und macht ein kränkelndes Gesicht.
    « Wird’s noch gehen?»

    « Ich schaff’s schon. Mach dir keine Sorgen», sagt sie und spielt jetzt die Rolle des tapferen kranken kleinen Mädchens.
    Ich bedanke mich bei ihr für die Party, sage, es sei eine totale Überraschung gewesen – was gelogen ist, weil ich wusste, dass Darcy aus meinem Geburtstag Kapital schlagen würde, indem sie sich ein neues Outfit kauft, eine Riesensause veranstaltet und genauso viele eigene Freunde wie meine einlädt. Trotzdem war es nett von ihr, die Party zu organisieren – und ich bin froh, dass sie es getan hat. Sie ist eine Freundin, die einem bei allem das Gefühl gibt, dass es was Besonderes ist. Sie umarmt mich fest und sagt, sie würde alles für mich tun, und was würde sie nur ohne mich anfangen, ihre Trauzeugin, die Schwester, die sie nie hatte. Sie schwallt, wie immer, wenn sie zu viel getrunken hat.
    Dex schneidet ihr das Wort ab.«Happy Birthday, Rachel. Wir unterhalten uns morgen.»Er gibt mir einen Kuss auf die Wange.
    « Danke, Dex», sage ich.«Gute Nacht.»
    Ich sehe zu, wie er sie nach draußen führt. Er hält sie sacht am Arm, nachdem sie am Randstein beinahe gefallen wäre. Oh, wenn man so einen Aufpasser hätte , denke ich.
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