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Freitags Tod

Freitags Tod

Titel: Freitags Tod
Autoren: Anne Kuhlmeyer
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du mir nie etwas davon gesagt?«
    »Was hätte ich sagen sollen? Conrad, bitte erinnere dich an mich. Ich bin Lilly, deine Freundin, die es gut mit dir meint, die dich liebt, die …« Sie spürte die Tränen wieder, die sie irgendwo vergraben geglaubt hatte. Mit einer Handbewegung wischte Lilly sie fort.
    »Was willst du? Wir haben eine gute Zeit.« Sie zögerte. »Naja, vielleicht keine gute, aber eine Zeit. Mehr geht eben nicht.«
    »Du hättest es mir sagen müssen.« Er sah zu Boden.
    »Und dann? Was hättest du dann getan?«
    Wieder die Stille.
    »Ich weiß es nicht«, gab er zu.
    » Conrad, Vergessen gibt es nicht . Vergessen.« Einen Moment folgte sie dem Klang des Wortes. Wie viele Nächte hatte sie darüber nachgegrübelt? Immer war sie zum gleichen Ergebnis gekommen: Es gab kein Vergessen. Eins allerdings wollte sie genauer erfahren.
    »Seit wann weißt du es?«
    »Ich weiß nicht«, sagte er und sah unendlich müde aus. »Was glaubst du, Lilly, geht das weg?«
    »Keine Ahnung. Aber ich glaub nicht.«
    »Und was dann?«
    »Geh schlafen, Conrad. Es ist spät.« Sie stand auf und nahm das Glas vom Tisch. Er erhob sich ebenfalls und hielt sie an den Schultern.
    »Was dann, Elisabeth?«
    »Nichts, verdammt. Dann ist es, wie es ist. Wenn du die Füße auf die Erde kriegen willst, musst du die Schuhe ausziehen. Das ist dann.« Sie wandte sich ab und ging zu Bett. Sie lauschte der Nacht. Ein Ast knackte draußen. Dann wurde es hell.
    Am Morgen, als sie Kaffee kochte, schlief er noch auf ihrem Sofa.
     
    Die Nacht hing in Fetzen. Der Tag streute fahles Licht herein. Conrads Rücken schmerzte, als er sich vom Sofa aufrappelte, Kaffeeduft hatte ihn geweckt. Er brauchte einen Augenblick, um sich zu orientieren. Allmählich kehrte die Erinnerung zurück und mit ihr die Scham. Was hatte er sich nur gedacht, mitten in der Nacht bei Lilly aufzukreuzen? Auf dem Couchtisch stand eine Flasche Himbeerlikör. Das Wohnzimmer strahlte eine Frische aus, die ihm unwirklich erschien, ein Blumenstrauß auf der Fensterbank, zwei Aquarelle an den Wänden, genug Raum zum Leben zwischen den Möbeln. Wenn eine gute Fee ihm einen Wunsch freistellte, hätte er bleiben mögen. Es war der Wunsch, endlich zur Ruhe zu kommen. Er glaubte nicht an Feen. Langsam erhob er sich und schlurfte in die Küche. Lilly richtete das Frühstück auf dem Küchentisch. Sie sah aus wie eine Fee.
    »Na, gut geschlafen?« Sie stellte Konfitüre auf den Tisch.
    »Danke. Und du?«
    Sie wiegte den Kopf. »Mein Bruder ist für ein paar Tage zu einem Seminar gefahren. Ich mache mir immer Gedanken, dass er nicht heil zurückkommt.«
    »Ja.« Immer machte sie sich Gedanken um Simon, dabei hatte Conrad den Eindruck, dass er trotz seiner Behinderung ganz gut auf sich selbst achten konnte. Eine Weile sah er zu, wie Lilly Teller hinstellte, Käse aufschnitt und die Tassen füllte.
    »Milch und Zucker?« Sie hob den Blick. Ihr Gesicht war so arglos wie der junge Tag.
    »Ich wollte dich nicht nerven, Lilly. Du meinst es gut mit mir, ich weiß, aber …« Das Aber blieb in der Luft hängen und vergeudete seinen Sinn. Lilly legte ihm den Arm um den Nacken. »Sag mir, was du willst, Conrad.«
    Ein Stück von deiner Leichtigkeit, dachte er, und Ruhe, er vergrub sein Gesicht in ihrer Halsbeuge. Sie roch wie frisches Brot. Ein Stück Nähe, Lilly, ein Stück Gemeinsamkeit, eines ohne Brandlöcher und Vergessen.
    »Ich muss«, sagte er und spürte einen Druck in seiner Brust. »Muss mich noch rasieren.« Dabei löste er sich von ihr und fuhr sich übers Kinn.
    »Kommst du wieder?«, fragte sie.
    »Ja. Wenn ich darf.«
    Er öffnete die Terrassentür, durch die er in der Nacht hereingelassen worden war. Die Füße auf die Erde kriegen, dachte er und sah sich um. Lilly hatte sich nicht gerührt.
    »Wie wär’s mit einem Spaziergang heute Abend?«
    Sie lächelte und nickte.

Claire
    Der Spätherbst brachte die Stürme mit. Es war fast Mittag, Tom saß am Fenster und blickte auf die tosenden Wellen. Es gab nicht viel zu tun für ihn in diesen Tagen. Manchmal half er Thekla beim Wein abziehen oder er zupfte die trockenen Beifußblüten von den Stängeln und klebte Etiketten auf die Gläschen mit den Kräutern. In der Scheune, in der ich ein paar Autos untergestellt hatte, die sich Leute aus der Gegend herrichten ließen, war es kalt gewesen. Viel warf das Geschäft nicht ab, aber vielleicht reichte es im nächsten Jahr zu einer Heizung. Theklas Küche umfing mich mit ihrer Wärme.
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