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Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom

Titel: Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom
Autoren: Ayse Auth
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sich ganz gelassen in Richtung Ausgang. Sobald alles wieder in Ordnung ist, machen wir weiter!«
    Ein Raunen geht durch den Saal, es gibt Gelächter, aber keine Pfiffe. Die Leute tragen es mit Fassung. Nach dem Motto: Dann nehmen wir unseren Champagner halt mit nach draußen in die laue Sommernacht, rauchen ein Zigarettchen und kommen dann wieder rein.
    Draußen aber werden sie von SEK-Männern in Kampfanzügen in Empfang genommen und eindringlich gebeten, sofort weiterzugehen, damit es keinen Stau gibt und die Nachfolgenden nicht in Panik geraten.
    Eine bizarre Situation. Hunderte von Menschen stehen vor dem Palais herum, in großer Robe und mit Champagnergläsern in der Hand. Eine Riege SEK-Beamter in schusssicheren Westen hat den Hof abgeriegelt, wo sich Spezialisten mit ihren Hunden dem ominösen Koffer nähern. Krankenwagen fahren heran. Die umliegenden Häuser werden ebenfalls evakuiert. Die Einsatzleitung spricht sogar davon, die Tiere aus dem benachbarten Zoo wegzuschaffen.
    23:30
    Immer noch werden Gäste aus dem Festsaal geleitet. Es kommt zu grotesken Szenen. Ein türkischer Gesangsstar,
der sich in der Garderobe auf seinen Auftritt vorbereitet hat, darf diese erst einmal nicht verlassen. Und unser verhinderter Überraschungsgast und Großspender kommt nicht von der Toilette herunter, bis der betreffende Gebäudeteil mit der Räumung dran ist. Es riecht nach Chaos, aber anscheinend nimmt alles seinen geordneten deutschen Gang: Jeder auf dem kürzesten Weg nach draußen, aber erst, wenn er an der Reihe ist. Dafür sorgt das SEK.
    Plötzlich lautes Hundegebell aus dem Hof!
    Was ist los: Kann ich meinem Gefühl nicht mehr vertrauen? Wenn die Hunde anschlagen, haben sie jetzt doch etwas gefunden …
    Es scheint aber so gut wie niemand Notiz von dem Gebell zu nehmen. Viele Leute sind aufreizend gut drauf, sie begreifen die Bombenwarnung wohl als beste Unterhaltung! Die Reporter reiben sich die Hände. Sie sollten über eine dieser Society-Veranstaltungen berichten, können sich nun aber über eine unerwartete Sensationsgeschichte freuen. Und sie witzeln auch noch über die Situation, so dramatisch sie sich auch darstellt:
    »Wirklich, eine Bombenstimmung hier!«
    23:45
    Die Frau mit dem Walkie-Talkie macht mich ausfindig. Sie ist auf dem Laufenden über die Maßnahmen, die inzwischen im Hof getroffen wurden. Spezialisten haben den Koffer aufgemacht. Er enthielt nur Werkzeug. Kein Sprengstoff, keine Bombe. Aber warum haben die Hunde angeschlagen?
    Gott sei Dank! Und habe ich es nicht immer gewusst? Endlich darf ich mich wieder auf meine Pflichten als Gastgeberin besinnen.

    Nur, es bringt jetzt nichts mehr, alle wieder hineinzubitten. Viele sind auch schon gegangen. Aber wer noch geblieben ist, soll jetzt auch weiterfeiern dürfen. Immerhin noch 300 Menschen pilgern zur Aftershow-Party in ein nahegelegenes Hotel. Dort richte ich das Wort an alle Anwesenden:
    »Als die Spezialisten den Koffer gerade ins Labor zur Untersuchung schaffen wollten, stellen Sie sich vor, da kam sein Besitzer um die Ecke! Der Elektriker, der tagsüber das Bühnenlicht installiert hatte. Er hatte seinen Werkzeugkoffer vergessen und wollte ihn abholen, bevor er abhanden kommt. Und warum haben die Hunde angeschlagen? Dieser Koffer war kein normaler Werkzeugkasten, sondern ein alter Munitionskoffer! Ein Liebhaberstück. Die Hunde haben Reste von Schießpulver gerochen …«
    Damit war der Abend für die Dagebliebenen gerettet. Allerdings nicht die ganze Veranstaltung, und nicht für uns. Statt der erhofften 100 000 Euro Spendenerlös wurden es unter diesen Umständen nur 70 000 Euro. Aber noch geben wir nicht auf. Mindestens die sicher versprochenen 30 000 Euro des unbekannten Großspenders - die wollen wir uns von der Versicherung der Elektrofirma wiederholen. Die Mühlen der deutschen Justiz mahlen langsam, aber ich hoffe, in diesem Fall mahlen sie gründlich. Die Kinder sollen ihr Geld bekommen!

    Und die Botschaft für mich?
    Nun, jeder geht wohl davon aus, dass unser Leben viele Lehren für uns bereithält. Instinktiv spüren wir: Alles, was
uns widerfährt, hat auch eine tiefere Bedeutung, gleichsam auf einer inneren Ebene. Ich meine das aber nicht im Sinne des Satzes: »Zufälle gibt es nicht.« Diese Annahme finde ich wenig hilfreich, führt sie doch dazu, in jede Nebensächlichkeit eine verborgene Bedeutung hineinzuinterpretieren. Was dabei herauskommt, ist meistens ein naiver Aberglaube.
    Nein, ich meine etwas anderes: Manche -
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