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Frau Paula Trousseau

Frau Paula Trousseau

Titel: Frau Paula Trousseau
Autoren: Christoph Hein
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sahen uns kurz an und verabschiedeten uns schweigend. Nachdem ich hinausgegangen war, schloss Mutter lautlos die Haustür.
3.
    Ich verließ das Bad und betrachtete den Raum. Das Zimmer, welches ich mir im Heim der Schwesternschülerinnen mit Gisela teilte, hielt ich für sehr komfortabel, zumal ein kleines Bad eingebaut war. Ein winziger Flur trennte unseren Raum von dem der beiden Nachbarinnen, und zwischen den zwei Zimmern war eine Küche, in der man sich zumindest ein Frühstück machen konnte. Das Wohnheim des Universitätsklinikums war wenige Jahre zuvor umgebaut worden und hatte Küchen und Bäder erhalten, da es während der Messen als zusätzliches Hotel benötigt wurde. Zweimal im Jahr hatten die Schülerinnen Messeferien, wir mussten in dieser Zeit unsere gesamte Habe aus den Zimmern räumen und verpackt in Koffern und Kartons auf den Dachboden schaffen.
    Gisela, um die Haare ein Handtuch geschlungen, kam ins Zimmer und begann sich anzuziehen. Wir schwiegen und warfen uns nur gelegentlich kurze, misstrauische Blicke zu. Als Gisela angezogen war, ging sie ins Bad zurück, um sich die Haare zu machen.
    Durch die offenstehende Tür sagte sie plötzlich: »Dein Verlobter war vorgestern hier.«
    Ich fuhr herum. »Hans?«
    »Ja. Oder hast du noch einen anderen Verlobten?«
    »Was wollte er?«
    »Er suchte dich.«
    »Was hast du ihm gesagt?«
    »Nichts. Und wo du bist, wollte er wissen, aber das wusste ich auch nicht. Wo warst du denn?«
    »Bei meinen Eltern.«
    »Und warum sagst du ihm das nicht? Er war fürchterlich aufgeregt. Immerzu fragte er, wo du sein könntest, bei wem, welche Freunde du hast, ob du auch über Nachtweg warst. Er wollte sogar deinen Schrank durchsuchen, aber das habe ich nicht erlaubt. Hast du mit ihm Schluss gemacht?«
    »Ach was. Ich heirate ihn.«
    »Na, sehr begeistert klingt das nicht. Und wann ziehst du aus? Wann ziehst du ganz zu ihm?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht behalte ich das Zimmer. Jedenfalls so lange, bis ich mir über einiges klar geworden bin«, sagte ich.
    »Und was hast du jetzt vor?«
    »Ich weiß nicht. Ich werde zu Hans fahren.«
    »Fahr am besten gleich zu ihm.«
    »Er ist erst spätabends zu Hause. Er sitzt jeden Tag zehn, zwölf Stunden in seinem Architekturbüro.«
    »Koch ihm was Schönes. Zieh dich nett an, dann kommst du schon wieder mit ihm klar. Nachdem du einfach so verschwunden bist, musst du ihm jetzt schon ein paar Körner hinstreuen. Er war ziemlich wütend, Paula.«
    »Ich war bei meinen Eltern.«
    »Das glaub ich dir, aber Hans hat offenbar andere Vermutungen. Die Männer denken immer gleich sonstwas.«
    Am frühen Abend machte ich mich auf den Weg zu Hans. Am Leuschnerplatz stieg ich aus der Straßenbahn, um für das Abendbrot einzukaufen. Aber ich fand nichts Geeignetes, was mir gefiel, war zu teuer, und was ich bezahlen konnte, würde Hans nicht schmecken. So drängte ich mich mit leerem Korb an den Leuten an der Kasse vorbei und ging zur Haltestelle zurück.
    Hans kam kurz vor acht nach Hause. Ich hatte ihn nicht im Büro angerufen, aber da die Wohnungstür nicht verschlossen war, musste ihm beim Eintreten klar sein, dass ich da war. Er schaute ins Wohnzimmer, ging dann ins Bad und in die Küche. Schließlich rief er nach mir undkam ins Schlafzimmer. Ich saß vor dem geöffneten Kleiderschrank auf dem Bett und nähte Hemdenknöpfe an. Er blieb in der Tür stehen und sah mich schweigend an. Ich beugte den Kopf über eins seiner Hemden und zog sorgsam die Nadel durch den hellblauen Leinenstoff. Ich tat, als sei ich damit so sehr beschäftigt, dass ich ihn nicht bemerkt hätte. Hans wartete in der Tür.
    »Madame ist zurück«, sagte er sarkastisch, »wo waren wir denn?«
    »Ich war zu Hause. Bei meinen Eltern.«
    »Ach so. Bei den Eltern. Natürlich, bei den Eltern. Und warum erzählst du mir das nicht vorher? Wieso haust du ab, ohne einen Ton zu sagen?«
    »Du hast mich geohrfeigt. Hast du das vergessen?«
    »Nein. Ich habe es nicht vergessen, und ich habe es auch nicht bereut. Aber da wir gerade davon sprechen, hast du es dir überlegt?«
    »Was soll ich mir überlegen?«
    »Du weißt genau, wovon ich rede. Wir heiraten am Achtzehnten. Ich hoffe, deine Eltern haben dir klargemacht, dass wir die Hochzeit nicht einfach verschieben können.«
    »Und ich habe dir gesagt, dass ich am Achtzehnten in Berlin sein muss. Die Hochzeit rennt uns nicht davon. Es ist kein Beinbruch, einen Hochzeitstermin zu verschieben.«
    »Es ist schlimmer als ein Beinbruch.
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