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Frau Ella

Frau Ella

Titel: Frau Ella
Autoren: Florian Beckerhoff
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Aufstieg zu seiner Wohnung, und auch wenn sie wusste, dass das Unsinn war, sie hatte Angst und zugleich das Gefühl, nach Hause zu kommen. Mit jeder Stufe war ihr weniger klar, was sie fühlte, bis sie schließlich vor der offenen Tür standen. Er ließ ihr den Vortritt.
    »Wollen Sie erst einmal ins Bad oder sich umziehen?«, fragte er, als sie zögernd in der Diele standen.
    »Gerne«, flüsterte sie.
    »Ich bin dann in der Küche. Und erschrecken Sie sich nicht, Klaus liegt auf dem Sofa.«
    Er ließ sie einfach stehen. Sie sah ihm hinterher. Die Unterhose bedeckte seinen Hintern nur notdürftig. Dann wandte er sich, auf der Schwelle zur Küche angekommen, doch noch einmal zu ihr um. Sah sie schweigend an. Schüttelte den Kopf mit seinen verfilzten blonden Haaren. Seine Mundwinkel zitterten.
    »Schön, dass Sie da sind, Frau Ella.«
    »Ja, mein Junge.«
    Dann gingen sie jeder in seine Richtung. Mehr gab es dazu vielleicht auch nicht zu sagen.
    Tatsächlich lag Klaus hinter einem Berg aus leeren Bierflaschen auf dem Sofa und schnarchte. Das Zimmer stank nach Schweiß und Zigaretten, und trotzdem war sie mit jedem Schritt glücklicher. Vorsichtig ging sie an ihm vorbei zum Fenster, um zu lüften, dann zurück und ins Schlafzimmer. Da lagen ihre Sachen, so wie sie sie zurückgelassen hatte. Und auch das Bett war noch genau so wie in der Nacht, als sie geflohen war. Nur lag da jetzt ihr Koffer, mit ihren Kleidern, ihren Sachen, ihrem Leben. Der Pfleger war also gekommen, oder sie waren ins Krankenhaus gefahren, um ihre Sachen zu holen. Die beiden hatten sie nicht vergessen! Kurz zögerte sie, dann ließ sie den Koffer erst einmal verschlossen und nahm die Sportsachen des Jungen, um sich umzuziehen. Alles sollte noch einmal sein wie vor ihrer Flucht. Sie war nicht bereit, jetzt plötzlich in ihr altes Leben zurückzukehren, nur weil da ein Koffer auf dem Bett lag. Nicht jetzt, da sie gerade wieder hier war. Nur auf Kölnischwasser und frische Unterwäsche wollte sie nicht verzichten, als sie endlich aus dieser muffigen Jacke und ihrem Nachthemd heraus war. Waschen würde sie sich später. Kurz starrte sie in den Koffer, als könnte der ihr erklären, was jetzt schon wieder mit ihr passierte. Aber vielleicht brauchte sie gar keine Antwort. Sie sah sich noch genau ihre Sachen packen, vor etwas mehr als einer Woche. Aufgeregt war sie gewesen und wütend auf sich selbst, dass sie da mitmachte bei dieser Krankenhausgeschichte, vor allem aber einfach lustlos. Es war so sinnlos, ihre Wohnung zu verlassen, ihren Balkon, an diesem schönen Frühsommertag. Das war lange her. Jetzt setzte sie sich auf das Bett, zog sich die Hose über die Beine, den Pullover mit seiner komischen Kapuze über den Kopf und nahm dann auch die Hausschuhe aus dem Koffer. Ihre Haare waren auf die Schnelle sicher nicht zu retten, aber was zählte das jetzt schon, da langsam der Duft des Kaffees die Wohnung füllte? Sie hätte heulen können, doch dafür war jetzt zum Glück keine Zeit.

    Sie hatte schon ihre dritte Tasse getrunken, konnte gar nicht genug bekommen, obwohl sie längst schwitzte und ihre Hände leicht zitterten. Es war zu schön, um wahr zu sein. Wie lange saßen sie schon da, ohne zu reden? Sie wollte gar nicht wissen, was passiert war, und auch er machte keine Anstalten, sie zu fragen, wo sie diesen Tag verbracht hatte. Was hätte sie ihm auch sagen sollen? Nur dass er tatsächlich mit Klaus im Krankenhaus gewesen war, um ihre Sachen zu holen, hatte er erzählt. Der Pfleger hatte sie vergessen! Sascha hatte sich noch nicht einmal etwas anderes angezogen, saß da in seiner Unterwäsche und schaute sie immer glücklicher an. Zumindest schien es ihr so. Sie hatte den zweiten Kaffee gemacht, er den dritten, so würden sie immer weitermachen. Immer weiter.
    »Frau Ella?«, hörte sie hinter sich eine heisere Stimme flüstern. Sie drehte sich um, und da stand auch Klaus, wie verwandelt ohne seine schicken Kleider, kratzte sich am Hinterkopf, als zweifelte er daran, sie wirklich zu sehen, als hielte auch er sie für ein Gespenst.
    »Setz dich, mein Junge. Ich habe Brötchen mitgebracht.«
    »Kaffee ist auf dem Herd«, sagte Sascha.
    Klaus sah sie ungläubig an, rieb sich die Augen, klopfte sich mit den Fingerknöcheln an die Schläfe, rieb sich dann fast mit Gewalt die Nase, als jucke die ihn schrecklich.
    »Na dann. Wenn ich nicht störe.«
    Und selbst er schwieg plötzlich, er, der sonst um kein Wort verlegen war. Da saßen sie, mal
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