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Frau Ella

Frau Ella

Titel: Frau Ella
Autoren: Florian Beckerhoff
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halt eher obenrum, also von der Seele her oder was auch immer. Überleg doch mal, eine Frau, die so anders ist, ich meine, allein ihre Wohnung, das geht doch eigentlich gar nicht, und trotzdem vermisse ich sie. Eigentlich war das perfekt mit beiden zusammen. Das war das absolute Glück. Das war vielleicht die Chance meines Lebens.«
    »Du meinst das ernst, oder?«, hörte er Klaus leise fragen und spürte, wie er ihm den Arm um die Schulten legte.
    »Keine Ahnung, ja, ich glaub schon. Und jetzt ist sie weg und alles am Arsch, alles, was wir gerade erst aufgebaut hatten. Ich hätte das nie gedacht. Ich wollte einfach weg hier, und dann begegne ich dieser Frau, handle plötzlich wie von selbst. Klar gab es am Anfang Probleme, aber dann wurde es immer besser, wie gesagt, vielleicht sogar perfekt. Mein Gott, ist das eine Scheiße.«
    Er war vollkommen durcheinander, verstand selbst nicht, woher plötzlich diese ganzen Gefühle kamen. Und was wollte Klaus jetzt von ihm? Was reichte er ihm da? Er sah genauer hin und erkannte im Kerzenschein ein altes Stofftaschentuch, weiß mit breiten Streifen an den Rändern. Er kannte Klaus seit zehn Jahren und erfuhr erst heute, dass er ein Stofftaschentuch besaß. Oder sogar mehrere. Das war ja alles so kitschig, dass man eigentlich laut lachen müsste. Eigentlich.
    »Danke«, sagte er und nahm das Taschentuch.

21

    BEI ALLEM, WAS SIE IN den letzten Tagen erlebt hatte, damit hätte sie niemals gerechnet. Dass sie einmal Tee zum Frühstück trinken würde! Und sie war sich sicher, dass das nie wieder Vorkommen würde, so sympathisch er auch war, der Herr Li, wie er sie vorhin freundlich geweckt hatte, als sei das vollkommen selbstverständlich, dass sie schon wieder einfach eingeschlafen war, im Hinterzimmer von diesem Laden, auf dem Sofa. Ob er die ganze Nacht auf seinem Stuhl verbracht hatte? Dafür wirkte er jedenfalls ganz munter. Kaum hatte sie aus Höflichkeit die erste Tasse der bitteren Brühe getrunken, schenkte er ihr lächelnd nach. Sie hatte wirklich kein recht, sich zu beschweren, und doch wurde sie den Gedanken an diese eine kleine Tasse frisch aufgebrühten Kaffee nicht los, die doch irgendwo auf sie warten musste. Regelrecht besessen war sie. Und Herr Li? Er sah sie einfach freundlich an.
    »Sie haben sich gestern schon ausgeruht, da kam der dicke junge Mann. Er hat Bier gekauft. Sehr viel Bier.
    Dann ist er mit dem jungen Mann, der hier wohnt, in das Haus gegangen.«
    »Und er hat nicht nach mir gefragt?«, fragte sie wie von selbst. Ungläubig. Entsetzt. Sie hatten also gefeiert, dass sie von sich aus verschwunden war. Und sie hatte gehofft, noch einmal bei ihnen Hilfe zu finden. Was für eine Schmach das gewesen wäre, hätte sie gestern Abend noch geklingelt und um Hilfe gebeten, während die beiden soffen. Allein bei dem Gedanken wurde ihr schlecht, so schlecht, das konnte nicht an diesem Tee liegen.
    »Aber er sah nicht glücklich aus«, sagte Herr Li, der anscheinend gemerkt hatte, wie schwer sie getroffen war.
    »Ach was.«
    »Auch der dünne junge Mann sah traurig aus. Er stand auf der Straße, ganz verloren.«
    »Das haben Sie sich eingebildet. Und das Mädchen? War sie nicht dabei?«
    Da schmunzelte er plötzlich.
    »Was ist mit dem Mädchen?«, fragte sie.
    »Entschuldigen Sie bitte. Gestern Morgen ist sie fast unbekleidet aus dem Haus herausgestürzt wie eine Verrückte. Es war ein bisschen komisch.«
    »Das habe ich mitten in der Nacht auch gemacht. Hätten Sie mich auch ausgelacht?«
    »Nein, nein, so komisch sahen Sie bestimmt nicht aus.«
    »Sie ist also wirklich aus dem Haus gerannt? Und er ist ihr gefolgt?«
    »Nein, nur das Mädchen. Er ist später weggefahren, mit dem Dicken in seinem Auto. Sie haben auch meinen Sohn gefragt, ob er Sie gesehen hat. Mein Sohn sagte, die beiden sahen nicht glücklich aus. Ich glaube, sie warten auf Sie.«
    »So ein Unsinn. Die schlafen ihren Rausch aus.«
    »Er kauft gerne Croissants«, sagte Herr Li grinsend, ohne auf ihre Bemerkung einzugehen, und fing an, eine Papiertüte mit Brötchen und Croissants zu füllen.
    »Lassen Sie das! Das wäre ja noch schöner!«
    »Seien Sie weise. Die jungen Männer trinken, weil sie traurig sind.«
    »Unsinn. Ich bin dort nicht mehr erwünscht«, versuchte sie, das Gespräch zu beenden.
    »Ich bin mir sicher, Sie irren sich. Kommen Sie, ich begleite Sie. Wenn ich mich irre, werden wir eine andere Lösung finden.«
    »Sie glauben an das Gute im Menschen«, seufzte sie, ungläubig,
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