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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen
Autoren: Ludwig Tieck
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den reinen blauen Himmel und alle seine Plane wurden lebendiger in ihm, sein Herz schlug höher, alle Gefühle seiner Brust erklangen geläuterter. Er hätte jetzt mit der Farbenpalette vor einer großen Tafel stehn mögen und er hätte dreist die kühnen Figuren hingezeichnet, die sich in seiner Brust bewegten. Der frische Morgen gibt dem Künstler Stärkung und in den Strahlen des Frührots regnet Begeisterung auf ihn herab: der Abend löst und schmelzt seine Gefühle, er weckt Ahndungen und unerklärliche Wünsche in ihm auf, der Gerührte fühlt dann näher, daß jenseit dieses Lebens ein andres kunstreicheres liege, und sein inwendiger Genius schlägt oft vor Sehnsucht mit den Flügeln, um sich frei zu machen und hineinzuschwärmen in das Land, das hinter den goldnen Abendwolken liegt.
    Franz sang ein Morgenlied und fühlte keine Müdigkeit vom gestrigen Wege mehr, er setzte mit frischen Kräften seine Reise fort. Das rege Geflügel sang aus allen Gebüschen, das betaute Gras duftete und alle Blätter funkelten wie Kristall. Er ging mit schnellen Schritten über eine schöne Wiese, und das Geschmetter der Lerchen zog über ihn hinweg, ihm war fast noch nie so wohl gewesen.
    »Das Reisen«, sagte er zu sich selber, »ist ein herrlicher Zustand, diese Freiheit der Natur, diese Regsamkeit aller Kreaturen, der reine weite Himmel und der Menschengeist, der alles dies zusammenfassen und in einen Gedanken zusammenstellen kann: – o glücklich ist der, der bald die enge Heimat verläßt, um wie der Vogel seinen Fittich zu prüfen und sich auf unbekannten, schöneren Zweigen zu schaukeln. Welche Welten entwickeln sich im Gemüte, wenn die freie Natur umher mit kühner Sprache in uns hineinredet, wenn jeder ihrer Töne unser Herz trifft und alle Empfindungen zugleich anrührt. Ja, ich glaube, daß ich einst ein guter Maler sein werde, da mein ganzer Sinn sich so der Kunst zuwendet, da ich keinen andern Wunsch habe, da ich gern alles übrige in dieser Welt aufgeben mag. Ich will nicht so zaghaft sein, wie Sebastian, ich will mir selber vertrauen.«
    Am Mittage ruhte er in einem Dorfe aus, das eine sehr schöne Lage hatte; hier traf er einen Bauer, der mit einem Wagen noch denselben Tag vier Meilen nach seinem Wohnort zu fahren gedachte. Der alte Mann erzählte unterwegs unserm Freunde viel von seiner Haushaltung, von seiner Frau und seinen Kindern. Er war schon siebenzig Jahr und hatte im Laufe seines Lebens mancherlei erfahren, er wünschte jetzt nichts so sehnlich, als vor seinem Tode nur noch die berühmte Stadt Nürnberg sehn zu können, wohin er nie gekommen war. Franz ward durch die Reden des alten Mannes sehr gerührt, es war ihm sonderbar, daß er erst am gestrigen Morgen Nürnberg verlassen hatte, und dieser alte Bauer davon sprach, als wenn es ein fremder wunderweit entlegener Ort sei, so daß er die als Auserwählte betrachtete, denen es gelinge, dorthin zu kommen.
    Mit dem Untergange der Sonne kamen sie vor die Behausung des Bauers an; kleine Kinder sprangen ihnen entgegen, die Erwachsenen arbeiteten noch auf dem Felde, die alte Mutter erkundigte sich eifrig nach den Verwandten, die ihr Mann besucht hatte, sie wurde nicht müde zu fragen und er beantwortete alles überaus treuherzig. Dann ward das Abendessen zubereitet und alle im Hause waren sehr geschäftig. Franz bekam den bequemsten Stuhl um auszuruhen, ob er gleich nicht ermüdet war.
    Das Abendrot glänzte noch im Grase vor der Tür und die Kinder spielten darin, wie niedergeregnetes Gold funkelte es durch die Scheiben, und lieblich rot waren die Angesichter der Knaben und Mädchen; knurrend setzte sich die Hauskatze neben Franz und schmeichelte sich vertraulich an ihn, und Franz fühlte sich so wohl und glücklich, in der kleinen beengten Stube so selig und frei, daß er sich kaum seiner vorigen trüben Stunden erinnern konnte, daß er glaubte, er könne in seinem Leben nie wieder betrübt werden. Als nun die Dämmerung einbrach, fingen vom Herde der Küche die Heimchen ihren friedlichen Gesang an, am Wasserbach sang aus Birken eine Nachtigall heraus, und noch nie hatte Franz das Glück einer stillen Häuslichkeit, einer beschränkten Ruhe sich so nahe empfunden.
    Die großen Söhne kamen aus dem Felde zurück und alle nahmen fröhlich und gutes Muts die Abendmahlzeit ein, man sprach von der bevorstehenden Ernte, vom Zustande der Wiesen. Franz lernte nach und nach das Befinden und die Eigenschaften jedes Haustiers, aller Pferde und Ochsen kennen. Die
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