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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen
Autoren: Ludwig Tieck
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tot sind, müssen es uns nicht Enkel und späte Urenkel Dank wissen, wenn sie dann die jetzigen Helden und großen Männer von uns gemalt antreffen? O wahrlich, sie werden dann Albrecht segnen und mich auch vielleicht loben, daß wir uns ihnen zum Besten diese Mühe gaben, und keiner wird dann die Frage aufwerfen: wozu kann diese Kunst nützen?«
    »Wenn Ihr es so betrachtet«, sagte der Schmied, »so habt Ihr ganz recht, und wahrlich, das ist dann ganz etwas anders, als Eisen zu hämmern. Schon oft habe ich es mir auch gewünscht, so irgend etwas zu tun, das bliebe, und wobei die künftigen Menschen meiner gedenken könnten, so eine recht überaus künstliche Schmiedearbeit, aber ich weiß immer noch nicht, was es wohl sein könnte, und ich kann mich auch oft darin nicht finden, warum ich das gerade will, da keiner meiner Handwerksgenossen darauf gekommen ist. Bei Euch ist das auf die Art freilich etwas Leichtes, und Ihr habt dabei nicht einmal so saure Arbeit, wie unsereins. Doch warum, lieber Maler, sieht man nur immer Kreuze und Leidensgeschichten und Heiligen? Warum findet Ihr es denn nicht auch der Mühe wert, Menschen, wie wir sie in ihrem gewöhnlichen Wandel vor uns sehn, selbst mit ihren Possierlichkeiten und wunderlichen Gebärden abzuschildern? Aber freilich wird dergleichen wohl nicht gekauft; auch malt Ihr ja meistens für Kirchen und heilige Örter. Doch darin denkt Ihr gerade wie ich, ja, mein Freund, Tag und Nacht wollt ich arbeiten und mich keinen Schweiß verdrießen lassen, wenn ich etwas zustande bringen könnte, das länger dauerte wie ich, das der Mühe wert wäre, daß man sich meiner dabei erinnerte, und darum möcht ich gern etwas ganz Neues und Unerhörtes erfinden oder entdecken, und ich halte die für sehr glückliche Menschen, denen so etwas gelungen ist.«
    Bei diesen Worten verlor sich der Zorn des Malers völlig, er ward dem Schmiedegesellen darüber sehr gewogen und erzählte ihm noch mancherlei von sich und Nürnberg; er erfuhr, daß der junge Schmied aus Flandern komme. »Wollt Ihr mir einen großen Gefallen tun?« fragte der Fremde.
    »Gern«, sagte Franz.
    »So schreibt mir einige Worte auf und gebt sie mir an Euren Meister und Euren jungen Freund mit, ich will sie dann besuchen und sie müssen mich bei ihrer Arbeit zusehen lassen, weil ich es mir gar nicht vorstellen kann, wie sich die Farben so künstlich übereinanderlegen: dann will ich auch nachsehen, ob Eure Bilder da ähnlich sind.«
    »Das ist nicht nötig«, sagte Franz, »Ihr dürft nur so zu ihnen gehen, von mir erzählen und einen Gruß bringen, so sind sie gewiß so gut und lassen Euch einen ganzen Tag nach Herzenslust zuschauen. Sagt ihnen dann, daß wir viel von ihnen gesprochen haben, daß mir noch die Tränen in den Augen stehen.«
    Sie schieden hierauf und ein jeder ging seine Straße. Indem es gegen Abend kam, fielen dem jungen Sternbald viele Gegenstände zu Gemälden ein, die er in seinen Gedanken ordnete und mit Liebe bei diesen Vorstellungen verweilte; je röter der Abend wurde, je schwermütiger wurden seine Träumereien, er fühlte sich wieder einsam in der weiten Welt, ohne Kraft, ohne Hülfe in sich selber. Die dunkelgewordenen Bäume, die Schatten die sich auf dem Felde ausstreckten, die rauchenden Dächer eines kleinen Dorfes und die Sterne, die nach und nach am Himmel hervortraten, alles rührte ihn innig, alles bewegte ihn zu einem wehmütigen Mitleiden mit sich selber.
    Er kehrte in die kleine Schenke des Dorfes ein, begehrte ein Abendessen und eine Ruhestelle. Als er allein war und schon die Lampe ausgelöscht hatte, stellte er sich an das Fenster und sahe nach der Gegend hin, wo Nürnberg lag. »Dich sollt ich vergessen?« rief er aus, »dich sollt ich weniger lieben? O mein liebster Sebastian, was wäre dann aus meinem Herzen geworden? Wie glücklich fühl ich mich darin, daß ich ein Deutscher, daß ich dein und Albrechts Freund bin! ach! wenn ihr mich nur nicht verstoßt, weil ich eurer unwert bin.«
    Er legte sich nieder, verrichtete sein Abendgebet und schlief dann beruhigter ein.

Drittes Kapitel
    Am Morgen weckte ihn das muntre Girren der Tauben vor seinem Fenster, die manchmal in seine Stube hineinsahen und mit den Flügeln schlugen, dann wieder wegflogen und bald wiederkamen, um mit dem Halse nickend vor ihm auf und nieder zu gehen. Durch einige Lindenbäume warf die Sonne schräge Strahlen in sein Gemach und Franz stand auf und kleidete sich hurtig an; er sah mit festen Augen durch
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