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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen
Autoren: Ludwig Tieck
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hätte, das in diesem Korbe ist!‹ Francesco hatte es unvermuteterweise gehört. Er geht auf den Alten zu, und frägt, ob es ihn glücklich machen würde? ›Oh, mich und meine Familie‹, ruft jener, ›aber seid nicht böse, ich dachte nicht, daß Ihr es hören würdet.‹ – Sogleich kehrt mein launiger Francesco den ganzen Korb um, und schüttet ihn dem alten Bettler in seine lederne Mütze, geht davon, ohne auch nur den Dank abzuwarten.«
    »Ihr seid ein edler Mann!« rief Sternbald aus.
    »Oh, Ihr irrt«, sagte der Maler, »es ist gar nichts Besonderes, ich kann den Armen nicht sehen, es jammert mich, und so gebe ich ihm wenigstens, da ich nicht mehr tun kann. Bei diesem Alten fiel mir ein, wie manche unnütze Ausgaben ich in meinem Leben schon gemacht hätte, wie wenig ich aufopfre, wenn ich mir eine Tapete oder ein kostbares Hausgerät versage. Ich dachte: ›Wenn du nun kein Geld bekommen, wenn du das Gemälde gar nicht gemalt hättest?‹ Ich sah Kinder und seine alte zerlumpte Gattin in Gedanken vor mir, die mit so heißer Sehnsucht seine Rückkehr erwarteten.«
    »Aber wenn du so handeln willst«, sagte Andrea, »so kannst du deinem Geben gar keinen Einhalt tun.«
    »Das ist es eben, was mich betrübt«, fuhr Rustici fort, »daß ich meine Gutherzigkeit einschränken muß, daß alles, was wir an Wohltaten tun können, nichts ist, weil wir nicht immer, weil wir nicht alles geben können. Es ist eine sonderbare Fügung des Schicksals, daß Überfluß und Pracht und drückender Mangel dicht nebeneinander bestehen müssen, die Armut auf Erden kann niemals aufgehoben werden, und wenn alle Menschen gleich wären, müßten sie alle betteln, und keiner könnte geben. Das allein tröstet mich auch oft darüber, wenn mir einfällt, daß ich mich bei meiner Kunst wohl befinde, indessen andre, die weit härtere Arbeiten tun, die weit fleißiger sind, Mangel leiden müssen. Hier ist auf Erden See und Weltmeer, hier strömen große Flüsse, dort leiden die heißen Ebenen, die wenigen Pflanzen ersterben aus Mangel am nötigen Wasser. Einer soll gar nicht dem andern nützen, jedes Wesen in der Natur ist um sein selbst willen da. – Doch, wir müssen über das Gespräch nicht unsers Gastmahls vergessen.«
    Er versammelte hierauf die Gesellschaft. Ein schöner Knabe ging mit einem Korbe voll großer Blumenkränze herum, jeder mußte einen davon nehmen und ihn sich auf die Stirn drücken. Nun setzte man sich um einen runden Tisch, der auf einem schattigen kühlen Platze im Garten gedeckt war, an allen Orten standen schöne Blumen, die Speisen wurden aufgetragen. Die Gesellschaft nahm sich sehr malerisch aus, mit den großen, vollen, bunten Kränzen, jeder saß bei seiner Geliebten, Wein ward herumgegeben, aus den Gebüschen erschallten Instrumente von unsichtbaren Musikanten.
    Rustici stand auf, und nahm ein volles Glas: »Nun zuerst«, rief er aus, »dem Stolze von Toskana, dem größten Manne, den das florentinische Vaterland hervorgebracht hat, dem großen Michael Agnolo Buonarotti!« – Alle stießen an, alle ließen ihr »Er lebe!« ertönen.
    »Schade«, sagte Andrea, »daß unser wahnsinniger Camillo uns verlassen hat, und jetzt in Rom herumwandert, er würde uns eine Rede halten, die sich gut zu dieser Gelegenheit schickt.«
    Muntere Trompeten ertönten zu den Gesundheiten, und Flöten mit Waldhörnern gemischt klangen, wenn sie schwiegen, vom entfernten Ende des Gartens. Die Schönen wurden erheitert, sie legten nun auch den Schleier ab, sie lösten die Locken aus ihren Fesseln, der Busen war bloß. Franz sagte: »Nur ein Künstler kann die Welt und ihre Freuden auf die wahre und edelste Art genießen, er hat das große Geheimnis erfunden, alles in Gold zu verwandeln. In Italien ist es, wo die Wollust die Vögel zum Singen antreibt, wo jeder kühle Baumschatten Liebe duftet, wo es dem Bache in den Mund gelegt ist, von Wonne zu rieseln und zu scherzen. In der Fremde, im Norden ist die Freude selbst eine Klage, man wagt dort nicht, den vorüberschwebenden Engel bei seinem großen goldenen Flügel herunterzuziehen.«
    Ein Mädchen gegenüber nahm den Blumenstrauß von der weißen Brust, und warf ihn Franzen nach den Augen, indem sie ausrief: »Ihr solltet ein Dichter sein, Freund, und kein Maler, dann solltet Ihr lieben, und Euch täglich in einem neuen Sonette hören lassen.«
    »Nehmt mich zu Eurem Geliebten an«, rief Sternbald aus, »so mögt Ihr mich vielleicht begeistern. Diese Blumen will ich als ein
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