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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen
Autoren: Ludwig Tieck
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sanfte Musik erklang, die Paare umschlangen sich und schwebten hinauf und hinab, die Hände und Arme begegneten sich wieder, und Busen an Busen geschmiegt, begann eine neue Wendung. Da sah man die verführerischsten Stellungen knüpfen, alle Gelenke wurden biegsamer, Franz war wie in Trunkenheit verloren. Die Luft duftete ihnen Wonne und Freude entgegen, wie auf den Wellen der Musik schwebte er an Lauras oder Lenorens Arm einher, in jedem tanzenden Gesicht kam ihm ein schalkhafter Engel entgegen, der ihm Entzücken predigte. Er drückte Lauras Hand, die seine Zärtlichkeit erwiderte.
    Man ruhte im Schatten der Bäume aus. Knaben gaben kühlende, wohlschmeckende Früchte herum, die Schönen lagerten sich im Grase. Andrea war vom Tanz erhitzt und sagte: »Seht, mein Freund Sternbald, so müßt ihr Deutsche erst nach Italien kommen, um zu lernen, was schön sei, hier erst offenbart sich euch Natur und Kunst. In eurem trüben Norden ist es der Imagination unmöglich, ihre Flügel auszudehnen und das Edle zu empfinden.«
    »Mein Lehrmeister, Albrecht Dürer«, sagte Franz, »den Ihr doch für einen großen Mann erkennen müßt, ist nicht hier gewesen.«
    Andrea sagte: »Wie sehr wünschen aber auch alle Kunstfreunde, daß er sich möchte hierherbemüht haben, um erst einzusehn, wie viel er ist, und dann zu lernen, was er mit seinem großen Talente ausrichten könne. So aber, wie er ist, ist er merkwürdig genug, doch ohne Bedeutung für die Kunst, der Italiener mit weit geringerem Talente wird doch immer den Sieg über ihn davontragen.«
    »Ihr seid unbillig«, fuhr Sternbald auf, »ja undankbar, denn ohne ihn, ohne seine Erfindungen würden sich manche Eurer Gemälde ohne Figuren behelfen müssen.«
    »Ihr müßt nicht heftig werden«, sagte der lindernde Francesco, »wahr ist es, Dürer ist Andreas hülfreicher Freund, und vielleicht verlästert er ihn eben darum, weil er sich der Dienste zu gut bewußt ist, die jener ihm geleistet hat. Aber wir wollen lieber ein Gespräch abbrechen, das Euch nur erhitzt.«
    Die Musik lärmte dazwischen, Andrea, der wenig streitsüchtig war, gab seine Meinung auf, die Tänze fingen von neuem an. Es wurde Abend: manche von der Gesellschaft gingen nach Hause, einigen wurden von ihren Dienern Pferde gebracht. Rustici ließ eins der schönsten Pferde in den Garten kommen, und setzte sich hinauf, indem er durch die Baumgänge ritt, die mutwillige Laura ließ sich zu ihm hinaufheben, und in einem leichten Galopp ritt sie hin und her, indem sie vor dem Maler saß, der sie mit seinen Armen festhielt. Franz bewunderte das schöne Gemälde, er glaubte den Raub der Dejanire vor sich zu sehn, der Kranz in ihren Haaren schwankte und drohte herabzufallen, leicht saß sie oben, und doch von einer kleinen Ängstlichkeit beunruhigt, die sie noch schöner machte: das Pferd hob sich majestätisch, auf seine Beute stolz. Zwei Trompeten bliesen einen mutigen Marsch, die prächtigen Töne begleiteten die Bewegungen des Rosses und der gewandte und starke Rustici saß wie ein Gott oben.
    Die zurückgebliebenen Freunde führte Francesco nun nach einem andern Teile seines Gartens. Hier war ein runder Zirkel von Bäumen, und Festons und Girlanden von allerhand Blumen hingen in den Zweigen und schaukelten im Abendwinde, farbige Lampen brannten dazwischen, dämmernde Lauben waren in den Baumnischen angelegt. Wein und Früchte wurden genossen: die zärtlichen Paare saßen nebeneinander, Musik ermunterte sie, ihr Liebesgespräch zu führen.

Fünftes Kapitel
    Castellani war zurückgekommen, Franz hatte in seiner und Lenorens Gesellschaft Florenz verlassen. Jetzt waren sie vor Rom, die Sonne ging unter, alle stiegen aus dem Wagen, um den erhabenen Anblick zu genießen. Eine mächtige Glut hing über der Stadt, das Riesengebäude, die Peterskirche, ragte über allen Häusern hervor, alle Gebäude sahen dagegen nur wie Hütten aus. – Sternbalds Herz klopfte, er hatte nun das, was er von Jugend auf immer mit so vieler Inbrunst gewünscht hatte, er stand nun an der Stelle, die ihm so oft ahndungsvoll vorgeschwebt war, die er schon in seinen Träumen gesehn hatte.
    Sie fuhren durchs Tor, sie stiegen in ihrem Quartiere ab. Sternbald fühlte sich immer begeistert, die Straßen, die Häuser, alles redete ihn an.
    Castellani war ein großer Freund der Kunst, er studierte sie unablässig, und schrieb darüber, sprach auch viel mit seinen Freunden. Sternbald war sein Liebling, dem er gern alle seine Gedanken mitteilte, dem er
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