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Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition)

Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition)

Titel: Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition)
Autoren: Louise Jacobs
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Unterwäsche, Bier und Panzertape im Angebot führen. Jedes Wochenende fuhr er nach Norden zu den Blueberryfeldern, Birkenhainen, den stillen Kirchen und den Familien, die seit Generationen die einzige Autowerkstatt im Ort betreiben. Auf Birch Hill Farm in Vermont ist auch mein Vater wieder zu seinen Wurzeln zurückgekehrt und Farmer geworden.
    Vor dreiundzwanzig Jahren, als Birch Hill in unsere Familie kam, war es nichts als ein von meterhohen und meterdicken Bäumen umzingeltes Haus. Zu diesem Backsteinhaus mit schwarz geschindeltem Dach und vier gemauerten Schornsteinen gehörte ein Waldstück von vielleicht hundertfünfzig Acres. Außerdem standen auf dem Grundstück ein Garagenhäuschen, ein blau gestrichenes Holzhaus und ein alter Stall mit vier Stellplätzen für Pferde und einem ausgebauten Dachboden für Stroh und Heu. Diese drei Nebengebäude lagen dicht beieinander unterhalb des Backsteinhauses und wurden überragt von dem größten frei stehenden Ahornbaum, den ich jemals gesehen habe.
    Vor dreiundzwanzig Jahren stand in einer Entfernung von fünf Minuten Fußmarsch auch noch ein Trailer auf einer Anhöhe mit Weitblick auf den Horizont. Dort lebte Mrs. Wilmot, die Dame, von der mein Vater das Grundstück und die Häuser gekauft hatte. Sie hatte das ganze Land gemeinsam mit ihrem Mann besessen. Doch ihr Mann war die Treppe des Hauses runtergestürzt und tödlich verunglückt. Sie räumte das Haupthaus, kaufte sich ein blaues Wohnmobil, das sie an diesem einzigen freigeschlagenen, schönsten Platz auf der Anhöhe aufstellte und beschloss, den Wald drumherum zu verkaufen. Es heißt, sie habe meinen Vater in ihrer Kutsche durchs Dorf gefahren und ihn gefragt, wo er das Geld verdient hätte, um sich ihr Land zu leisten. Mein Vater antwortete nur, er möge Pferde.
    »Sie mögen Pferde?«, fragte Mrs. Wilmot weiter.
    »Ich liebe Pferde!«, korrigierte sich mein Vater. »Wie heißen denn die beiden Prachttiere in Ihrem Gespann?«
    »Oh, der Rechte ist ein Hurensohn ,und den Linken nenne ich immer ›The Shit‹.«
    Mein Vater kaufte das Land. Stellte er sich die Frage, ob Landarbeit auf diesem steinigen Boden Spaß machen würde? Wahrscheinlich nicht. Er konnte dem inneren Drang nach der freigebigen Natur einfach nicht mehr widerstehen. Und unsere Mutter und wir sechs Kinder mussten ihm, ob wir wollten oder nicht, folgen.
    Niemand in Zürich wusste, wo Vermont liegt. Sprach man von Vermont, antworteten sie: »Eine wunderbare Gegend! Ich mag das französische Voralpenland auch, weil es so gar nicht typisch französisch ist. Ich war schon etliche Male dort unten.«
    Ich fand es magisch, nach Vermont zu fahren und zu wissen, dass mir im Zweifel keiner folgen konnte, da er dieses Gebiet irgendwo in Frankreich vermuten würde.
    Mein Vater hat sich das Land nicht einfach gekauft, er hat es sich auch erarbeitet, Stück für Stück der Natur abgerungen. Jim, der Forstarbeiter und zugleich das Herz von Birch Hill Farm, half meinem Vater beim Bäumefällen. Er konnte die eingewachsenen Ahornbäume – die zur Gewinnung von Maple-Sirup benötigt werden – von Nutzhölzern und Bauhölzern unterscheiden. Er markierte die Nussbäume, die Buchen, die meterhoch gewachsenen Zuckerahorne, die typisch amerikanischen Weißeichen und bestätigte die Qualität des guten, reichhaltigen Bodens, auf dem die Farm angesiedelt war. Er wusste genau, welche Hölzer für den Zaunbau verwendet werden konnten und welche gutes Feuerholz hermachten.

    Mein Vater zeigte uns Birch Hill Farm zum ersten Mal in einem Herbsturlaub 1991. Wir wohnten in dem einzigen Hotel in der Umgebung, dem Hartland Inn. Es lag vierzig Autominuten von der Farm entfernt im nächsten Ort, Hartland. Wir aßen in weißen Blusen im Country Club Sandwiches und fuhren eines Nachmittages mit einem Chevrolet SUV, dessen stechender Ledergeruch Übelkeit erzeugte, an diesen gottverlassenen Ort. Meine Mutter stieg aus dem Wagen, sah sich um und war verzweifelt: weit und breit kein Meer. Die Küste lag Tausende Meilen entfernt. Seit ich denken kann, will meine Mutter »ans Meer«. Statt Kultur, Kirchen und Museen gab es in der nächsten Umgebung von Birch Hill nur einen Country Store mit Zapfsäule für Schneemobile, ein heruntergekommenes Hotel, einen verlotterten Stall mit matschigen Auslaufweiden für verbrauchte Pferde und einen daran angeschlossenen toten Tennisplatz.
    Die gelben Blätter des Ahorns vor dem alten Stall der Farm begannen gerade erst abzufallen, und
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