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Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Titel: Fräulein Hallo und der Bauernkaiser
Autoren: Liao Yiwu
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Soziologen, der als historische Bestandsaufnahme des zeitgenössischen China dienen kann«.
    Ein anderer unabhängiger Kritiker, Ren Bumei, beobachtete in einem Interview mit dem Radio
Freies Asien
: »Alle Personen, die in dem Buch vorkommen, haben eines gemeinsam: Sie wurden ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung beraubt. Dieses Buch ist die lautstarke Verdammung dieser Beraubung und ein exzellentes Porträt dieser Gruppe von einzigartigen Persönlichkeiten.«
    Liao war der Erste, der seit der Machtübernahme der Kommunisten 1949 das Wort
diceng
(
Bodensatz, Unterschicht)
in Bezug auf China gebrauchte. Dieser Begriff ist für Unterstützer von Maos kommunistischer Bewegung, die eine egalitäre Gesellschaft ohne Prostituierte, Bettler, Triadengangster und Drogenabhängige schaffen sollte, ein Schlag ins Gesicht. Wie zu erwarten, wurden auf Anordnung des Propagandaministeriums und der Chinesischen Nachrichten- und Verlagsverwaltung sämtliche Bücher Liaos aus den Regalen genommen, sein Verleger wurde bestraft und alle leitenden Angestellten des populären Wochenblattes »Südliches Wochenende«, die ein Interview mit Liao gemacht und sein Buch vorgestellt hatten, wurden gefeuert.
    2002 traf Kang Zhengguo, ein Schriftsteller und Lektor an der Yale-Universität, Liao in China und schmuggelte das komplette Manuskript außer Landes. Mit Kangs Hilfe brachte das in Taiwan angesiedelte Rye-Field-Verlagshaus eine ungekürzte Fassung der »Gespräche mit Menschen vom Bodensatz der Gesellschaft« in drei Bänden heraus. Im selben Jahr bekam Liao einen Literaturpreis vom Unabhängigen Chinesischen Pen-Zentrum und 2003 ein Hellman-Hammett-Stipendium, ein jährlich vergebener Preis von Human Rights Watch in Anerkennung von Schriftstellern, die angesichts politischer Verfolgung ungewöhlichen Mut bewiesen haben.
    Ich selbst hörte zum ersten Mal von Liao im Juni 2001 , als Radio Freies Asien mich anstellte, um ein Interview, das er der Station nicht lange nach dem Verbot seines Buches in China gegeben hatte, zu übersetzen. Das Interview weckte mein Interesse für den Autor. »Gespräche mit Menschen vom Bodensatz der Gesellschaft« erinnerte mich an Studs Terkels Buch »Working« [deutscher Titel:
Der amerikanische Traum. 44 Gespräche mit Amerikanern
], in dem Terkel Interviews mit Amerikanern auf allen Ebenen der Gesellschaft sammelte, begonnen mit einer Bedienung und einer Telefonistin bis hin zu einem Baseballspieler und einem Musiker, die allesamt über ihre Jobs und ihr Leben in Amerika berichteten. »Working« wurde ins Chinesische übersetzt mit dem Titel »Amerikaner sprechen über ihr Leben in Amerika«. (Als College-Student las ich in China die englische und die chinesische Fassung als Textbuch für amerikanisches Englisch in der Umgangssprache). »Working« zeigte mir wie vielen anderen Chinesen, wie Amerika und das Leben der einfachen Amerikaner wirklich war, wovon ich zuvor nicht viel wusste. Ganz ähnlich, wie ich glaube, werden die wahren Lebensgeschichten in Liaos Buch das Gleiche bei westlichen Lesern erreichen und ihnen helfen, China aus dem Blickwinkel der einfachen Chinesen zu verstehen.
    Seit 2002 unternahm ich über Freunde in China mehrere Versuche, einen Kontakt zu Liao herzustellen. Die Suche stellte sich als recht mühsam heraus, da er als dissidenter Schriftsteller ständig umziehen musste, um Schikanen durch die Polizei zu entgehen. Einmal musste er aus einem Fenster im dritten Stock springen und aus Chengdu fliehen, um einer Verhaftung wegen eines Interviews mit einem Mitglied einer kriminalisierten Religionsgruppe zu entgehen.
    Eines Tages Anfang 2004 bekam ich eine E-Mail von einer Freundin, einer ehemaligen Gastdozentin an der Harvard-Universität. Sie kannte Liao recht gut und machte ihn ausfindig, als sie wieder in Peking war. Durch ihre E-Mail erfuhr ich, dass Liao meinem Vorschlag zugestimmt hatte, seine Arbeiten ins Englische zu übersetzen, und er hatte ihr auch seine Handynummer gegeben. Ich überprüfte die Vorwahl, sie war die einer Kleinstadt nahe der chinesischen Grenze zu Myanmar.
    Ein zweistündiges Gespräch markierte den Beginn unserer Zusammenarbeit. Die nächsten beiden Jahre arbeiteten Liao und ich bei den Übersetzungen per E-Mail und Telefon zusammen. Manchmal sprachen wir in nur uns verständlichen Codes oder, wenn wir vermuteten, dass unsere Gespräche abgehört wurden, über gegenseitige Freunde.
    Im Sommer 2005 erschienen drei Interviews aus Liaos Buch – der
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