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Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition)

Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition)

Titel: Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition)
Autoren: Jonathan Schnitt
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15-Kilometer-Märsche bei 35 bis 40 Grad nicht missen. Die Erfahrung, nach 5 Kilometern aufgeben zu wollen – aber zu begreifen, dass dies kein Sportevent ist, ich nicht stehenbleiben kann, ich weiter muss. Mit Schutzweste, mit Helm, Rucksack und Kamera. Zu sehen, dass die Soldaten noch mal mehr schleppen als man selbst, und einfach hinterher zu marschieren, auch wenn jeder Muskel schmerzt. Am Ende hat man es durchgehalten, nicht weil man konnte, sondern weil es keine Alternative gab.
    Auch Afghanistan zu sehen und zu erleben – dieses wunderschöne, harte Land. Mit seinen anrührenden Kindern, seinen kämpferischen Männern und seinen tragischen Frauen. Auch das möchte ich nicht missen.
    Das Gefühl, wieder zu Hause zu sein und ein sauberes Bett, ein innig vertrautes Mädchen und einen entspannten Abend auf dem eigenen Sofa vor dem Fernseher als unglaublichen Luxus zu empfinden – das möchte ich nicht missen.
    Und – ich weiß, ich werde ein wenig zu groß in meinen Worten, aber ich habe es noch nie so heftig empfunden wie kurz nach meiner Zeit in Afghanistan – ich empfinde eine tiefe Dankbarkeit dafür, in einem Land zu leben, in dem Frieden herrscht.
    Was ich auch nicht missen möchte, sind die Sprüche der Soldaten, mit denen sie von Heimweh über Bedrohungsszenarien bis zur Technik des Kackens im Felde die Einsatzrealität um sich herum kommentiert und so für sich – und auch mich – erträglich gemacht haben.
    Natürlich haben sie sich diesen Beruf selbst ausgesucht und sich dafür entschieden, ihrer Einheit in den Einsatz zu folgen – auch im Bündnisfall nicht zu kneifen, selbst wenn es nach Kunduz geht. Ich muss also nicht in Mitgefühl für sie bei harten Einsatzbedingungen schwelgen. Da müssen Soldaten durch. Dafür sind sie da. Auch das mussten deutsche Soldaten durch den Einsatz in Afghanistan lernen. Sie haben es sich bei anderen Nationen im Einsatz abgucken können – die Selbstverständlichkeit, als Soldat gefährliche Aufträge, mieses Essen, schwachsinnige Befehle, schlechtes Wetter und eine undankbare Gesellschaft zu Hause als gegeben hinzunehmen.
    Was mich überrascht hat, war, wie sie ihren Humor in den sechs Monaten durchgehalten haben. Denn jenseits der, im Wortsinn, todernsten Lage gab es immer wieder Situationen mit einer mehr oder weniger freiwilligen Komik.
    Wenn zwei müde, genervte Soldaten sich aufmachen zur nächsten »Raumverantwortung« und dabei in der gespielt gestelzten Tonlage von zwei höheren Beamten auf dem Weg in ihre Behörde nach dem werten Befinden des jeweils anderen fragen, ist das Slapstick à la Kunduz.
    Und auch ich habe Ähnliches erlebt wie Omid Nouripour (Sprecher für Sicherheitspolitik bei Bündnis 90/Die Grünen) , wenn er davon berichtet, wie lustig es ist, wenn ein Kommandeur vor Beginn eines Interviews mit seinen Soldaten deren »hervorragende Moral bei der Auftragserfüllung« betont und dann der erste Soldat das Gespräch mit »Ich bin täglich da draußen bei irgendwelchen schwachsinnigen Operationen« beginnt. Der folgende Gesichtsausdruck des Kommandeurs hat dann durchaus etwas unfreiwillig Komisches.
    Und wenn »Juwe« Schröder, der Chef unseres Dingo-Quartetts, die zu Silvester als Böller-Ersatz entzündeten Wunderkerzen »schwul« nennt, ist das böse ehrlich und trifft es politisch unkorrekt auf den Punkt. Das lautloseste Silvester meines Lebens – und das in Kunduz, Afghanistan. Ich möchte es nicht missen.
    Durch meine Zeit in Kunduz habe ich eine Ehrlichkeit und Wahrheit aus Sicht der Soldaten über den Afghanistan-Einsatz kennengelernt, die ich aus Statements von Politikern und selbst aus den aufrichtigsten und journalistisch hochklassigen Berichten aus Afghanistan nicht kannte. Aber es ist auch immer etwas anderes, etwas selbst zu riechen, zu schmecken und zu erleben, als darüber zu lesen oder es im Fernsehen zu sehen. Ich hoffe, dass ich etwas von dieser Offenheit, die mir die Soldaten entgegengebracht haben, und einen Teil meines Erlebens in diesem Buch vermitteln konnte. Es ist, wie gesagt, eine Perspektive von vielen, die der deutschen Soldaten, die der Task Force Kunduz von Juli 2011 bis Januar 2012. Und innerhalb dieser ist es natürlich auch nur meine Perspektive.
    Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Foxtrott 4 nach dem Einsatz
    Jan-Uwe »Juwe« Schröder ist als Berufssoldat weiterhin bei der 3. Kompanie in Munster stationiert. Er wird voraussichtlich innerhalb der nächsten zwei Jahre wieder in den Auslandseinsatz
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