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Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition)

Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition)

Titel: Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition)
Autoren: Jonathan Schnitt
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wurde, ist in jedem Fall nicht mehr viel übrig geblieben.
    Ob der Einsatz die Opfer wert gewesen ist? Menschenleben lassen sich nicht aufrechnen. Eine Binse, aber wahr. Die Familien der Gefallenen werden zu Recht sagen, dass der Einsatz in Afghanistan nicht das Leben ihrer Söhne und Töchter wert war. Das gilt aus Sicht der Soldaten und ihrer Angehörigen insbesondere für die Zeit, als der Einsatz in Deutschland nicht Krieg genannt werden durfte, obwohl die Soldaten in Kunduz fast täglich Angriffen ausgesetzt waren. Damals ist viel Verbitterung entstanden. Zu wünschen bleibt, dass die Politik verstanden hat, dass sie in Zukunft frühzeitiger, ehrlicher und schonungsloser die Realitäten eines Auslandseinsatzes kommunizieren muss. Im gleichen Zug wird die Gesellschaft lernen müssen, diese Realitäten zu akzeptieren, auch wenn sie nicht bequem sind.
    Die Anfänge dafür sind geschaffen: Es gab eine Debatte darüber, was Krieg ist, und darüber, ob deutsche Soldaten töten dürfen, und darüber, dass deutsche Soldaten getötet werden. Deutschland hat wieder »Gefallene« zu beklagen. Das ist schrecklich und traurig, aber wenn Deutschland Soldaten in den Auslandseinsatz schickt, muss seine Gesellschaft Tote auf beiden Seiten akzeptieren. Ist das gut? Nein. Ganz klar: Nein. Deshalb dürfen Einsätze der Bundeswehr im Ausland nur nach ausgiebiger Debatte in Volk und Bundestag beschlossen werden. Dieser Ansatz wäre ehrlicher als das Geschwurbele vom »humanitären Einsatz« zu Beginn des Afghanistan-Engagements. Ja, das wäre er. Und es würde den Realitäten des Einsatzes – die nur die Soldaten vor Ort ertragen müssen – um einiges gerechter.
    Was bedeutet der Einsatz für die Bundeswehr? Oder auch: Sind Erfahrungen, ob nun gut oder schlecht, je vergebens?
    Die Bundeswehr hat sich als Organisation durch den Einsatz ohne Frage weiterentwickelt. Wenn sie dafür steht, deutsche Interessen im Ausland – wenn nötig auch mit Waffengewalt (und letztlich ist eine Armee für ebendas konzipiert) – zu verteidigen, hat sie viel dazugelernt. Eine neue Bundeswehr ist entstanden. Eine, die gelernt hat, weltweit an internationalen Einsätzen mitzuwirken. Eine, die gelernt hat, gegenüber der Politik – mal mehr, mal weniger – unangenehme Realitäten zu formulieren. Leider häufig eher weniger, weil die »obere Führung« der Politik sehr nahesteht. Eine Bundeswehr, die in der Zukunft Offiziere mit Einsatz- und Gefechtserfahrung in Führungspositionen hat. All das wird die Bundeswehr auch kulturell verändern.
    So betrachtet, hat der Afghanistan-Einsatz die Bundeswehr darauf vorbereitet, international mehr Verantwortung zu übernehmen. Er hat die Gesellschaft darauf eingestellt zu akzeptieren, dass ein Einsatz wie der in Afghanistan Tote bedeutet, tote Zivilisten (wie beim Angriff auf die Tanklaster und in einigen anderen Fällen), tote Taliban – und gefallene deutsche Soldaten (53 Bundeswehrsoldaten, Stand April 2012). Ob man den Einsatz oder das, was die Bundeswehr und wir als Gesellschaft durch ihn erfahren oder ertragen haben, akzeptiert, spielt im Endeffekt keine Rolle. Der Afghanistan-Einsatz war und ist noch immer Realität. Und so sehr es sich mancher wünscht, es wird nicht der letzte Einsatz gewesen sein. Deutschland ist nicht die Schweiz, und solange nicht Parteien die Regierung stellen, die heute bei 5 bis 10 Prozent liegen, wird die Bundesrepublik wohl auch in Zukunft ihrer internationalen Verantwortung nachkommen. Hoffentlich hat man durch Afghanistan auch etwas Demut gelernt und formuliert die Ziele des Einsatzes mit Blick auf die zur Verfügung stehenden Mittel ehrlich und realistisch. Und entscheidet erst nach einer aufrichtig geführten Debatte, ob es sich lohnt, junge Männer und Frauen den Gefahren eines Kriegsgebietes auszusetzen.
    Soweit meine beschränkte Meinung zu den großen Fragen.
    Wie habe ich meine Zeit in Afghanistan erlebt?
    Meine persönlichen Erfahrungen in diesen Monaten unter den Soldaten möchte ich nicht missen. Nicht meine gelegentliche Angst und nicht das Nachlassen der Angst, wenn alles gut gegangen ist. Nicht die Entbehrungen und nicht die Freude über kleine Annehmlichkeiten, wenn wir von »draußen« wieder »drinnen« im sicheren Feldlager waren. Nicht die Erkenntnis, wie sehr sich Maßstäbe verschieben. Auch nicht die Erfahrung, unter widrigsten Bedingungen zu improvisieren und sich ein erträgliches Lager für die Nacht zu schaffen. Ich möchte selbst die
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