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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter
Autoren: Isabel Allende
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Anatomie -, sagten sie schließlich, das Baby sei wohl einem Verhältnis ihres Bruders mit irgendeinem Flittchen entsprungen und deshalb zögen sie es als Tochter der Familie auf.
    Jeremy machte sich nicht die Mühe, dem boshaften Gerede entgegenzutreten. Das unvernünftige Treiben von Kindern verwirrte ihn, aber Eliza brachte es fertig, ihn zu erobern. Wiewohl er es nicht zugab, sah er sie doch gern zu seinen Füßen spielen, wenn er sich abends in seinen Sessel setzte, um die veraltete Zeitung aus London zu lesen. Freilich gab es keine Bekundungen der Zuneigung zwischen ihnen beiden, er versteifte sich schon vor der bloßen Möglichkeit, eine mitfühlende Hand zu reichen, die Vorstellung einer innigen Berührung stürzte ihn in Panik.
    Als an jenem 15. März das Neugeborene im Haus der Sommers erschien, meinte Mama Fresia, die das Amt einer Köchin und Haushälterin versah, sie müßten es sich vom Halse schaffen. »Wenn die eigene Mutter es im Stich gelassen hat, dann weil es verflucht ist, und da ist es sicherer, es gar nicht erst anzufassen«, sagte sie, aber gegen den Beschluß ihrer Dienstherrin konnte sie nichts machen.
    Kaum hatte Rose das kleine Geschöpf auf den Arm genommen, fing es aus vollem Halse so zu schreien an, daß es durchs ganze Haus drang. Außerstande, es zu beruhigen, machte Rose ihm ein behelfsmäßiges Bettchen in einer Schublade ihrer Kommode und deckte es zu, worauf sie Hals über Kopf davonstürzte, um eine Amme zu suchen. Sie kehrte sehr bald mit einer Frau zurück, die sie auf dem Markt aufgetan hatte, ihr war nur nicht eingefallen, sie sich genauer anzusehen, ihr genügten die großen Brüste, die fast die Bluse sprengten, um sie eiligst einzustellen. Sie erwies sich als eine etwas zurückgebliebene Frau vom Lande, die mit ihrem Säugling das Haus betrat, einem armen Würmchen und genauso schmutzig wie seine Mutter. Sie mußten das Kleine lange in warmem Wasser einweichen, um den Dreck abzulösen, der ihm den Hintern verklebte, und die Frau tauchten sie in einen Bottich mit Seifenlauge, um sie von den Läusen zu befreien. Die beiden Säuglinge, Eliza und das Söhnchen der Frau, fielen von einer Kolik in die andere, sie litten an einer biliösen Diarrhöe, wie der Hausarzt sagte, gegen die er ebenso machtlos war wie der deutsche Apotheker. Überwältigt vom Wimmern der Kinder, das nicht nur vom Hunger herrührte, sondern auch von Schmerzen oder vielleicht von Traurigkeit, weinte Miss Rose mit ihnen. Am dritten Tag endlich mischte Mama Fresia sich widerwillig ein.
    »Sehen Sie nicht, daß diese Frau ganz vergammelte Brustwarzen hat? Kaufen Sie eine Ziege, um die Kleine zu füttern, und geben Sie ihr einen Tee aus Zimtrinde; und machen Sie schnell, denn wenn Sie das bis Freitag nicht schaffen…« Sie wandte sich mürrisch brummelnd ab.
    Damals konnte Miss Rose das Spanische nur eben radebrechen, aber das Wort »Ziege« verstand sie, schickte sogleich den Kutscher los, eine zu kaufen, und entließ die Amme. Kaum war das Tier zur Stelle, legte Mama Fresia, die erfahrene India, Eliza schlankweg unter das volle Euter, zum Entsetzen von Miss Rose, die noch nie etwas so Ordinäres und Ekliges gesehen hatte, aber die warme Milch und die Zimtaufgüsse brachten schnell Linderung, die Kleine hörte auf zu weinen, schlief sieben Stunden hintereinanderweg und wachte schmatzend auf. Nach wenigen Tagen zeigte sie den friedlichen Gesichtsausdruck gesunder Säuglinge und nahm offensichtlich an Gewicht zu. Miss Rose kaufte ein Fläschchen, als sie merkte, daß Eliza, wenn die Ziege im Patio meckerte, schnüffelnd die Zitzen suchte. Sie wollte das Kind nicht mit der verqueren Vorstellung aufwachsen sehen, dieses Tier sei seine Mutter. Die glücklich überstandenen Koliken gehörten zu den wenigen Kinderkrankheiten, die Eliza durchmachen mußte, die übrigen erlagen den Kräutern und Beschwörungen Mama Fresias schon bei den ersten Anzeichen, einschließlich der grausamen Seuche der afrikanischen Masern, die ein griechischer Matrose nach Valparaíso eingeschleppt hatte. Solange die Gefahr andauerte, packte Mama Fresia der Kleinen für die Nacht ein Stück rohes Fleisch auf den Bauch und band es mit einem Tuch aus roter Wolle darauf fest, ein geheimes Naturheilmittel, um die Ansteckung zu verhindern.
    In den folgenden Jahren machte Miss Rose Eliza zu ihrem Spielzeug. Sie verbrachte vergnügt ganze Stunden damit, sie singen und tanzen zu lehren, sagte ihr Gedichte vor, die das kleine Mädchen mühelos im
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