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Fortinbras ist entwischt

Fortinbras ist entwischt

Titel: Fortinbras ist entwischt
Autoren: Eric Malpass
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gemacht hatte, mußte er sich wohl geirrt haben. Was wiederum bewies, daß man bei Frauen, so gut man sie auch zu kennen glaubte, vor Überraschungen nie sicher war.
    Aber es gab jetzt Wichtigeres, als über die weibliche Psyche nachzudenken. Er strich sich Butter auf seinen Toast und sagte: «Es ist wohl an der Zeit, daß wir uns über unsere Lage klarwerden.»
    May sagte: «Wir haben genug Lebensmittel und Heizmaterial. Falls du aber Zitrone zum Tee haben möchtest, davon habe ich nur noch eine. Aber sonst brauchen wir uns eine gute Woche lang nicht die geringsten Sorgen zu machen, und bis dahin wird sich ja das Wasser wohl wieder verlaufen haben, es sei denn, es regnet weiter so verrückt.»
    «Es sieht ziemlich nach Regen aus», sagte Gaylord.
    Opa sagte: «Ausgezeichnet, May. Und ich glaube nicht, daß das Wasser bis ans Haus kommt. Es liegt verhältnismäßig hoch.» Er wandte sich seinem Sohn zu. «Wie steht’s mit dir, Jocelyn? Ich hoffe, du hast genug Tinte und Papier?» fragte er nicht ohne betonte Ironie.
    «Nett von dir, daß du dich danach erkundigst», antwortete Jocelyn kühl. Er nahm seine Arbeit als Schriftsteller sehr ernst und mißbilligte den spöttischen Ton, in dem sein Vater davon sprach.
    «Ausgezeichnet», wiederholte Opa und rieb sich die Hände, «was regen wir uns also alle auf?»
    «Was mich anbetrifft, so habe ich mich gar nicht aufgeregt», sagte May.
    «Wer weiß denn, ob es in einer Woche schon vorbei ist», gab Gaylord zu bedenken. Bei Noah hatte es viel länger gedauert, soviel stand fest. Dann fiel ihm plötzlich die enttäuschende Bibelstelle ein, wo Gott einen Regenbogen schickt und sagt, er werde dafür sorgen, daß es keine Sintfluten mehr gebe. Aber so leicht ließ er sich nicht entmutigen. Vielleicht waren die Menschen wieder so böse gewesen, daß Gott einfach nicht anders konnte. Dann brauchte man natürlich eine neue Arche, und Opa war fraglos der gegebene Mann, sie zu bauen. Gaylord hielt es für sehr wahrscheinlich, daß Gott noch an diesem Morgen die Angelegenheit mit Opa besprechen würde.
    Es schien Gaylord, als ob sich Opas Gedanken in derselben Richtung bewegten, denn er sagte: «Es ist gut, daß wir das Boot schon für den Winter aufgebockt haben, sonst wäre es jetzt noch in Goole.»
    Wenn schon keine Arche da war, so konnte man sich doch auf ein Boot retten. Das war immerhin ein beruhigender Gedanke. «Ich habe gerade eine Haifischflosse im Wasser gesehen», sagte Gaylord, der wieder ans Fenster gelaufen war und seine Nase gegen die Scheibe preßte.
    Großvater stellte sich neben ihn. Um seinen Hals baumelte ein Feldstecher. Er begann, die Umgebung zu inspizieren. May betrachtete diese bulligen Schultern und die gedrungene kräftige Gestalt und dachte liebevoll, die Flut möchte ich sehen, die ihn unterkriegt. Und ihren Sohn: diese flinken, neugierigen, schwarzen Augen, der blonde Haarschopf und diese wichtig in die Hosentaschen gebohrten Hände. Er kam bestimmt dabei auf seine Kosten. «Ich glaube, das Wasser ist noch etwas gestiegen», sagte er hoffnungsvoll.
    Großvater sagte: «Da drüben im schwenkt jemand etwas aus einem der oberen Fenster.» Er stellte seinen Feldstecher scharf ein. «Es scheint», sagte er, «da wird bereits die weiße Fahne gehißt.»
     
    Mrs. Darling gönnte ihren Rettern genau zwanzig ungeduldige Minuten, dann griff sie wieder zum Hörer und wählte 999.
    An ihr Ohr drang eine Leere, die stiller war als Schweigen! Sie versuchte es zum zweitenmal. Wieder ohne Erfolg! Klarer Fall, dachte sie, Wasser ist in meine Leitung eingedrungen, oder das gesamte Telefonnetz ist schon unterbrochen. Sehr lästig. Sie watete in ihre vollautomatische Küche und füllte den Wasserkessel, um sich eine Tasse Tee zu machen. Da sie sich in den dunkeln Geheimnissen der Elektrizität nicht recht auskannte, hielt sie es durchaus für möglich, daß sie einem elektrischen Schlag zum Opfer fiel. Aber solche kleinlichen Gedanken hatten Mrs. Darling noch nie davon abgehalten, das zu tun, was sie wollte. Und jetzt wollte sie eine Tasse Tee. Sie schaltete den Heißwasserkessel ein.
    Der elektrische Schlag blieb aus, andererseits blieb aber auch der Kessel hartnäckig kalt. Das Wasser war also auch in die Elektrizität gedrungen.
    Kein Telefon, keine Elektrizität, kein dienstbarer Geist, kein Zeichen menschlichen Lebens, so weit das Auge reichte. Mrs. Darling war zwar nicht sonderlich phantasiereich, aber sogar sie konnte sich des unangenehmen Gefühls
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