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Fortinbras ist entwischt

Fortinbras ist entwischt

Titel: Fortinbras ist entwischt
Autoren: Eric Malpass
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heraus, May», sagte Opa betont rüde.
    «Wie kannst du es wagen, in diesem Ton mit May zu sprechen», brüllte Jocelyn.
    Aber Opa starrte Mrs. Darling an. «Hier liege ich», sagte er, «haben Sie meine Wunde verbunden, haben Sie auch nur einen Blick auf sie geworfen? Haben Sie auch nur ein Wort der Anteilnahme geäußert? Den Teufel haben Sie!» sagte er voll Bitterkeit.
    «In meinem ganzen Leben», sagte Mrs. Darling, «habe ich noch nie ein solches Theater wegen eines kleinen Kratzers erlebt.»
    «Gott sei gelobt, daß mir die Augen aufgehen, bevor es zu spät ist. Eine feine Ehefrau hätten Sie abgegeben, wenn Alter und Gebrechlichkeit auf ein bißchen Fürsorge angewiesen sind.»
    «Wenn es Ihnen nur darauf ankommt», sagte Mrs. Darling schneidend, «sollten Sie eine Krankenschwester heiraten.» Sie wandte sich an May. «Wenn es Ihnen nichts ausmacht, meine Liebe, so werde ich heute abend auf meinem Zimmer essen. Nur eine Kleinigkeit. Mrs. Twegg wird Ihnen beim Herauftragen helfen, nicht wahr, Mrs. Twegg?»
    «Nein, verdammt noch mal, das wird sie nicht tun», schrie Jocelyn zum allgemeinen Erstaunen und von seiner Kühnheit selbst überrascht.
    Mrs. Darling zog ihre Jacke enger um die Schultern. Die Bedeutung dieser Geste war den anderen inzwischen aufgegangen. «Was Sie nicht sagen, Mr. Pentecost.»
    «Die arme Frau hat lange genug nach Ihrer Pfeife getanzt», sagte Jocelyn. «Sie haben ihre Gutmütigkeit nur ausgenützt. Und jetzt sagen Sie ihr auch noch mehr oder weniger deutlich, daß sie nicht fein genug ist für Ihren Neffen.»
    Mrs. Darling verbeugte sich ironisch. «Nun gut, Mr. Pentecost, wenn Sie sich so ins Zeug legen...» Sie musterte ihn mißbilligend, aber jetzt doch mit einem gewissen Respekt.
    Hilda Twegg unterbrach sie. «Machen Sie sich keine Sorge, liebe Mrs. Darling, natürlich bringe ich Ihnen das Abendbrot herauf.» Sie wandte sich an May. «Soll ich mir das Bein des alten Herrn einmal ansehen, Mrs. Pentecost? Ich habe mal einen Erste-Hilfe-Kursus mitgemacht.»
    «Es wäre keine schlechte Idee, wenn jemand etwas unternähme, ehe der Wundbrand einsetzt», sagte Opa erbost.
    Gaylord verfolgte die Hilfsaktion mit großem Interesse. Mrs. Twegg hatte sich vor Opa hingekniet, neben sich eine Schüssel mit heißem Wasser, über der sie ein Tuch ausdrückte. Er war jetzt so groß wie sie, und ihr Gesicht befand sich neben dem seinen - er kam sich ganz erwachsen vor und sagte melancholisch: «Können Sie mich nicht doch heiraten, wenn ich groß bin, Mrs. Twegg?»
    Sie lächelte. Sie lehnte sich vor und rieb ihre Nase an seiner. «Sei nicht böse, Schatz, aber versprochen hatte ich es dir ja noch nicht, nicht wahr?»
    «Nein, ich glaube nicht», sagte er traurig.
    «Und meinst du nicht auch, daß ich dann sehr lange warten müßte?»
    Er dachte nach.»Ich bin schon fast acht», sagte er.
    «Wollen Sie sich nun endlich bitte um meine Wunde kümmern?» erkundigte sich eine bissige Stimme.
    «Oh, entschuldigen Sie, Mr. Pentecost.» Hilda Twegg machte sich wieder ans Werk, lächelte Gaylord zu und zog die Nase kraus. «Sei nicht traurig, Schatz, du wirst schon eine andere finden.»
    Gaylord sah nicht sehr überzeugt aus. «Ich wette, sie ist nicht so nett wie Sie, Mrs. Twegg», sagte er skeptisch.
     
    November: Der erste Nachtfrost bildete eine dünne Eisschicht auf den zurückgebliebenen Pfützen und Sumpfstellen. Der Morast verhärtete sich. Im war den ganzen Tag ein Hämmern und Klopfen zu hören und das Kratzen der Maurerkellen. Mrs. Darling beaufsichtigte die Arbeiten mit wachsamen Augen. Sie blickte hinüber zu den gräßlichen und zog ihre Jacke enger um die Schultern. Was für eine Familie! John, ja, der war noch ganz nett, trotz all seinem Gepolter. Aber - nichts für sie. Allein war sie weit besser dran mit Feydeau und ihrem Louis Quinze.
    Opa ging gemächlich über die Koppel. Wenn er daran dachte, hinkte er noch ein wenig. Er blickte zum hinüber. Ja, allein war er besser dran. Helena war in mancher Beziehung eine verdammt beachtliche Frau; aber sie hatte ihn gängeln wollen. Opa, der sein Leben lang diskret am Gängelband geführt worden war, zuerst von seiner verstorbenen Frau und dann von seiner Schwiegertochter May, Opa blies seine Wangen auf und dachte: Zum Teufel, keine Frau hat mich je am Gängelband geführt, und es wird auch in Zukunft keiner gelingen. Nein, so wie es war: mit May und Jocelyn, frei von fremder Einmischung, frei wie der Vogel in
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