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Formbar. Begabt

Formbar. Begabt

Titel: Formbar. Begabt
Autoren: Juna Benett
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Essen?«
    Ertappt zucke ich zusammen, als ich bemerke, dass meine Mutter die Küche betreten hat. Schnell ändere ich den Gesichtsausdruck von geheimnisvoll zu liebenswürdig.
    »Hi Mam. Nein, schmeckt gut.«
    »Was hast du heute vor? Viele Hausaufgaben?«
    Ich schlucke den letzten Bissen meiner Käsespätzle runter und trinke einen Schluck Saft.
    »Es hält sich in Grenzen. Sind ja nur noch drei Tage bis zu den Ferien. Nachher gehe ich mit Viv shoppen. Sie braucht Schuhe für die Party am Samstag.«
    »Schon wieder ins Einkaufszentrum? Du denkst daran, dass du um 16:30 Uhr Klavierstunde hast?«
    Ich nicke ergeben. Wie könnte ich das vergessen, da ich doch ständig daran erinnert werde? Meine Mutter hat vor einigen Jahren einen Artikel darüber gelesen, dass musikalisch aktive Kinder ihre Fähigkeiten besser nutzen können, wodurch wiederum die Intelligenz gefördert wird.
    Scheinbar gibt mein Gesichtsausdruck mehr preis als gut für mich ist. Sie runzelt kritisch die Stirn und lehnt sich mit verschränkten Armen an die Küchenplatte.
    »Meine Liebe. Du brauchst kein solches Gesicht zu ziehen. Wir haben genug Geld in deine musikalische Förderung gesteckt. Zuerst die Blockflöte. Warum musste ich einem zehnjährigen Kind erklären, dass ein Blasinstrument kein Strohhalm ist, aus dem man Apfelsaft trinken kann?«
    Stumm lasse ich den Monolog über mich ergehen. Ich weiß aus langjähriger Erfahrung, dass sie mich erst entlässt, wenn sie ihrer Enttäuschung über meinen fehlenden Enthusiasmus ausreichend Luft gemacht hat.
    »Dann die Klarinette. Gut, das ist nicht direkt deine Schuld, aber die Geräusche, die du darauf erzeugt hast, waren grauenvoll. Kein Wunder, dass dein Vater und dein Bruder sie damals verschwinden ließen.« Sie macht eine kurze Pause. In Gedanken zähle ich bis fünf und bereite mich auf den Höhepunkt der Ansprache vor. »Und schließlich die Geige! Der Himmel weiß, wie viele gerissene Saiten du auf dem Gewissen hast. Es ist doch nicht zu viel verlangt, einmal in der Woche zum Klavierunterricht zu gehen und ausreichend zu üben, damit die Lehrerin mit den Fortschritten zufrieden ist? Du schaffst es schließlich auch, regelmäßig mit deinen Freundinnen in der Tanzschule zu erscheinen.«
    An dieser Stelle endet die Standpauke für gewöhnlich, und so ist es auch dieses Mal. Allmählich müsste doch deutlich werden, dass ich meine Fähigkeiten besser nicht zum aktiven Musizieren nutzen sollte. Tanzen ist ein Aspekt, der mir eindeutig eher liegt, und meiner Intelligenz ist sowieso nicht mehr zu helfen.
    Seufzend stelle ich meinen Teller in die Spülmaschine und mache mich unter den wohlwollenden Blicken meiner Mutter auf den Weg ans Klavier. Sicherlich erkennt die Lehrerin meinen guten Willen, wenn sie erfährt, dass ich im Verlauf der letzten Woche zwar nicht geübt, dafür aber die Stücke zumindest am Tag der Klavierstunde reumütig gemustert habe.
    Leider ein Irrtum, wie ich drei Stunden später feststellen muss, als ich nach einem entspannten Nachmittag in der Einkaufspassage mit hochgezogenen Schultern am Konzertflügel sitze und eine äußerst unangenehme Strafrede über mich ergehen lasse. Den genauen Inhalt möchte ich nicht wiedergeben, nur so viel: Meine Klavierlehrerin ist keineswegs erbaut von meinen Fortschritten.
    Deprimiert mache ich mich auf den Heimweg. Heute Abend werde ich mir ein paar Toastbrote machen, noch ein wenig lesen und früh ins Bett gehen. In der Küche treffe ich auf Simon, der den Inhalt des Kühlschranks inspiziert. Ich nehme zwei Brote aus der Packung und werfe sie in den Toaster.
    Fertig.
    »Hey, machst du mir auch welche?«
    Ich drehe mich um. »Mach dir dein Zeug selbst! Du hängst doch schon die ganze Zeit in der Küche rum, und ich bin gerade erst gekommen.«
    »Aber wenn du den Toast machst, geht es viel schneller...«
    »Ja klar. Alles geht schneller, wenn man es nicht selbst macht. Und besser schmeckt es natürlich auch.«
    Mit meinen fertig geschmierten Broten setze ich mich an den Küchentisch und versuche, das »Altes Sumpfhuhn!«-Gemurmel meines wohlerzogenen Bruders zu überhören. Er verlässt missmutig die Küche und schließt die Tür mit einem Tritt. Nachdem ich mein Abendessen verspeist habe, nehme ich einen Apfel aus dem Kühlschrank und verschwinde in mein Zimmer.
    Am nächsten Morgen fühle ich mich nur leidlich erholt, obwohl ich mich gestern in einem Akt der Selbstbeherrschung von meinem spannenden Buch losgerissen habe und somit
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