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Fool on the Hill

Fool on the Hill

Titel: Fool on the Hill
Autoren: Matt Ruff
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auf und sah einen Bernhardiner, der unter einem Baum saß und ihn aufmerksam betrachtete. Er winkte dem Tier zu und griff in die Schweizer Armeetasche, die er umgehängt hatte. Er holte eine Handvoll Hundekekse heraus und streute sie auf die Erde.
    »Hungrig?« fragte er den Hund. Der Bernhardiner stand auf, trottete gemächlich hinüber und fraß die Kekse nach kurzem Schnüffeln auf. Dann ließ er sich zu Boden plumpsen und bekundete seine Bereitschaft, gestreichelt zu werden.
    »Braver Hund«, sagte der Mann, der vom Lügen lebte, und kraulte den Bernhardiner am Bauch. »Ein bißchen Gesellschaft ist immer was Feines. Soll ich dir erzählen, wie es kam, daß ich reich und berühmt wurde?«
    Der Hund bellte unverbindlich.
    »Ach, komm schon. Es ist eine wirklich gute Geschichte, ehrlich. Und es kommt eine schöne Frau darin vor. Eigentlich sogar ein ganzer Siebenjahresvorrat an schönen Frauen. Na, wie wär’s?«
    Der Hund bellte noch einmal, jetzt mit hörbar mehr Begeisterung.
    »Gut! So ist’s recht«, sagte der professionelle Lügner. Sein Name war Stephen Titus George, wenngleich man ihn auf dem Umschlag seines ersten Buches zu »S. T. George« abgekürzt hatte; ein - sehr wohlwollender - Kritiker war noch einen Schritt weitergegangen und hatte ihn »St. George« genannt.
    Wie recht er damit gehabt hatte, sollte niemand je erfahren.
     
    II
     
    »Meine Eltern habe ich nie gekannt«, begann George mit seiner Erzählung und baute dabei den Drachen weiter zusammen. »Ich wuchs bei meinem Onkel Erasmus auf. Erasmus galt wegen seines Berufes als schwarzes Schaf der Familie, doch er war auch der einzige, der die Verantwortung für ein Kind übernahm, das nicht seins war. Er war Bildhauer, talentiert und strebte echt nach Höherem, auch wenn er sein Geld hauptsächlich mit dem Verkauf von Betontieren verdiente, was dir vielleicht nicht allzu einträglich erscheinen mag - aber Mann, wir wohnten in New York City. An drei Tagen in der Woche fuhr er mit seinem Lieferwagen von Queens rüber nach Manhattan, baute einen Stand an irgendeiner belebten Ecke auf, Eichhörnchen, Backenhörnchen, Tauben, alles massiv Beton und fünf Dollar das Stück. Städtische Dschungelkunst nannte er das. Das unpraktischste Mitbringsel, das ich mir vorstellen kann - wer will sich schon den ganzen Tag mit einer Betontaube unterm Arm zu den Sehenswürdigkeiten New Yorks schleppen? -, aber die Touristen waren absolut verrückt nach den Dingern. Besonders die Südstaatler.
    Spätestens nach drei Stunden hatte Erasmus immer seinen ganzen Vorrat verkauft, und dann kam er wieder heim, um einen neuen Schwung zu gießen. Das ließ ihm massig Zeit für die Arbeiten, die ihm wirklich am Herzen lagen, und gehungert haben wir nie.
    Durch ihn bin ich schon als Kind auf jede Art von Kunst abgefahren. Er sagte immer: ›Eines darfst du nie vergessen, George: Künstler sind begnadete Wesen. Sie sind - Götter nicht mitgerechnet - die einzigen Leute, die Unsterblichkeit verleihen können.‹
    Das hat mich echt beeindruckt, verstehst du ? Jeder möchte wie Gott sein, wenigstens bis er in die Pubertät kommt. Eine Zeitlang versuchte ich es mit der Bildhauerei, aber das war nicht ganz mein Geschmack. In der Sechsten mußte ich dann einmal eine Kurzgeschichte für einen Englischwettbewerb schreiben. Und da hat irgendwas geklickt. Ich ging zu meinem Onkel und fragte ihn, ob er was dagegen hätte, wenn ich Schriftsteller würde, und er gab mir seinen Segen und kaufte mir einen Kugelschreiber ganz für mich allein. Und so fing ich an zu schreiben, langsam und ohne viel Talent, aber -«
    Der Bernhardiner hob den Kopf und bellte zweimal.
    »Minute noch, ich komm gleich zu der Lady«, versprach George. »Geduld. Was ich grade sagen wollte: Mein größtes Problem war anfangs, daß es mir einfach zu gut ging. Schriftsteller brauchen seelische Qualen, um sich inspirieren zu lassen; wenn alles prima läuft, kannst du’s vergessen. Zum Glück ließ die Pubertät bei mir nicht lang auf sich warten.
    Im zweiten Jahr auf der High-School entbrannte ich total und hoffnungslos in Lust zu einem Mädchen namens Caterina Sesso. Ich würde gern ›in Liebe‹ sagen, aber ich will dir nichts vormachen: ›Lust‹ ist schon der korrekte Ausdruck. Sie war Italienerin, und zu der Zeit waren italienische Mädchen der letzte Schrei. Später kamen die Rothaarigen in Mode, und momentan sind Asiatinnen in, aber damals auf der High-School war, was Freundinnen angeht, die Italienerin das
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