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Fool on the Hill

Fool on the Hill

Titel: Fool on the Hill
Autoren: Matt Ruff
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ernannt worden. Und alles nur in Ermangelung einer festen Freundin.«
    Schwanzwedelnd leckte der Hund ihm die Hand. Winselte.
    »Nein«, sagte George. »Nicht unglücklich. Wie könnte ich in einer Welt, in der jemand seinen Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Betonfauna verdient, deprimiert sein? Einsam vielleicht. Manchmal. Immer rastlos. Aber ich hab so eine Theorie, weißt du, daß wer auch immer den Laden schmeißt, dabei ist, mich für eine ganz große Sache aufzubauen - sagen wir ›Moby Dick‹, Teil 2 hoch vier, einen Roman, der den Gang der Geschichte verändern wird -, und habe ich es erst mal geschafft, wird der Lektor die Zügel lockern und mir erlauben, wieder mit einer Frau zu schlafen, vielleicht sogar, mich richtig zu verlieben. Bloß, daß er nach einem Monat vollkommener Seligkeit wieder das Steuer herumreißen und mir was Neues vor die Nase setzen wird, weswegen ich mir Sorgen machen kann...«
    Der Drachen war jetzt fertig zusammengebaut. George hob ihn hoch und zeigte ihn dem Bernhardiner. Mit seiner traditionellen Rautenform sah er aus wie ein längs aufgeschnittener Diamant, weiß mit einem aufgemalten roten Drachenkopf, von dem rote Strahlen nach allen Seiten ausgingen. Hinten schleifte ein rot-schwarzer Schwanz.
    »Den habe ich erst gestern abend in einem Laden gefunden«, sagte George. »Mal sehen, wie er fliegt, hm?«
    Er stand auf, und der Hund fing wieder an zu bellen. Es war noch immer nicht der leiseste Hauch einer Brise zu spüren.
    »Ich weiß, ich weiß. Keine Sorge. Ich mag kein großes Glück bei Frauen haben, aber der Wind und ich sind fast schon ein klassisches Liebespaar.«
    Und unter den weiterhin zweifelnden Blicken des Bernhardiners schaute George konzentriert in den Himmel, als suchte er dort nach einem vertrauten Gesicht. Den Drachen in der einen und eine Rolle starken Garns in der anderen Hand, begann er sich auf der Stelle zu drehen - erst nach Westen, dann nach Norden, dann nach Osten, dann nach Süden. Dreimal drehte er sich so im Kreis, unentwegt lächelnd, als wirkte er einen ebenso amüsanten wie machtvollen Zauber. In gewissem Sinn tat er das wirklich, wenn er auch beim besten Willen nicht hätte sagen können, ob Magie oder Zufall dabei die treibende Kraft war. Er wußte nur, daß es funktionierte.
    Er blieb stehen und blickte dem Himmel noch einmal tief ins Auge. »Na komm«, lockte George leise, und der Wind kam. Er wehte von Westen her, wo er die ganze Zeit gewartet hatte, und hob den Drachen mit unsichtbaren Händen empor. Der Bernhardiner stimmte ein wütendes Gebell an.
    »Toll, was? Das erste Mal hätte ich mir vor Angst beinah in die Hosen gemacht. Aber jetzt, wo ich mich dran gewöhnt habe, macht’s irgendwie Spaß.«
    Er stand da und lauschte dem Wind, der wahrscheinlich sowieso geweht hätte, aber jedenfalls niemals ausblieb, wenn er ihn rief - und das schon seit seinem zwölften Lebensjahr, seit dem Tag, als er unter Anleitung von Onkel Erasmus seinen ersten Drachen hatte steigen lassen.
    »Vielleicht ist das ja auch gar nicht so merkwürdig«, sagte er. »In einem Buch oder einer Erzählung brauche ich nur einen einzigen Satz zu schreiben, und schon weht der Wind. Und jetzt stell dir mal die Welt vor, das wirkliche Leben, das ist doch auch nur eine Geschichte. Bloß, daß die keiner aufzuschreiben braucht.«
    George lachte und zwinkerte dem Bernhardiner zu, während über ihnen der Drachen höher und höher stieg, ein Fabelwesen in einem rautenförmigen Käfig, das seine Flügel zum ersten Mal erprobte.
     
    III
     
    »George fühlt sich mal wieder einsam«, bemerkte Zephyr, hoch oben in der Glockenstube des McGraw-Turms.
    »Ach ja?« meinte ihr Großvater Hobart zerstreut. Er war mit der täglichen Inspektion des Glockenspiels beschäftigt. »Das ist gut.«
    »Sehr optimistisch einsam«, fügte Zephyr hinzu, »aber doch einsam.« Sie seufzte und legte eine tröstende Hand auf den Knauf ihres Schwertes - eigentlich eine fünf Zentimeter lange Krawattennadel, die mit einem Miniaturgriff aus Elfenbein versehen war. Zephyr selbst war eine Miniatur, nur fünfzehn Zentimeter groß und unsichtbar für Menschenwesen, ausgenommen sehr betrunkene und sehr weise. Es gab viele Namen für ihr Geschlecht - Elfen, Zwerge, Feen, das kleine Volk -, doch Kobolde war die geläufigste Bezeichnung. Auf dem Hügel lebten weit über tausend von ihnen und halfen den Menschen, ihre Angelegenheiten zu erledigen.
    »Ich wollte, ich könnte etwas für ihn tun«, sagte Zephyr in
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