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Fool on the Hill

Fool on the Hill

Titel: Fool on the Hill
Autoren: Matt Ruff
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findet, aber man kann schließlich nicht alles haben. Beim Licht der Gaslaternen nähert er sich der Kreuzung Owego und Aurora Street, wo das Hotel Ithaca steht. (Es wird fünf Jahre später, während einer nächtlichen Feuersbrunst, ebenso wie Dutzende benachbarter Gebäude bis auf die Grundmauern niederbrennen.) Zwei Männer stehen vor dem Hotel und diskutieren - oder besser: beenden gerade eine Diskussion.
    »Sie sind ein gottverdammter Narr«, schreit der kleinere, breitere von beiden, »wenn Sie glauben, die Bevölkerung von Ithaca werde sich die Gründung eines - eines Oberlins innerhalb ihrer Stadtgrenzen einfach so bieten lassen!«
    »Die gemeinsame Erziehung der Geschlechter ist ein gesundes Prinzip«, erwidert der andere Mann in ruhigerem Ton. Hochgewachsen, schwarzer Mantel und Zylinder: ein vermögender Mann mit einem grauen Bart, der so lang ist wie das Gesicht seines Kontrahenten. »Ich glaube nicht, daß unsere Mitbürger noch irgendwelche Einwände erheben werden, wenn die Universität erst einmal den Lehrbetrieb aufgenommen hat. Wir hoffen, mit der Zeit alle nur erdenklichen Disziplinen anbieten zu können... und zwar jedem Interessenten, gleich welchen Geschlechts.«
    »Seien Sie jedenfalls versichert, mein Herr«, sagt der untersetzte Bursche in abschließendem Ton, »daß keines meiner Kinder, gleich welchen Geschlechts, je eine solche Einrichtung besuchen wird.«
    »Zweifelsohne«, pflichtet ihm der hochgewachsene Mann bei. »Zu den Studiengängen, die mir vorschweben, rechne ich natürlich nicht den zum Erwerb der Fähigkeit, sich wie ein aufgeblasener Esel aufzuführen - was mutmaßlich die einzige Ihrem Nachwuchs gemäße Bestrebung sein dürfte.«
    Womit der zivilisierte Teil der Diskussion erledigt wäre. Der Kleinwüchsige bläht seine Backen auf, als versuchte er, zu explodieren und den Großen mitzunehmen; als seine Bemühungen erfolglos bleiben, vollführt er eine beidhändige Gebärde, die man in diesen Breiten nur selten zu Gesicht bekommt, macht kehrt, stolpert über seine eigenen Füße und fällt längelang in den Schlamm. Abermals vom vergeblichen Wunsche durchdrungen, ein Sprengkörper zu sein, rappelt er sich wieder auf, wobei sein gleichfalls schwarzer und nicht billiger Mantel von Matsch und Pferdemist trieft, und stapft von dannen (quietsch, quaatsch, quietsch). Das zunehmende Dunkel verschluckt ihn.
    Mr. Sunshine tritt näher und macht sich bemerkbar; trotzdem empfindet der große Mann, als er seiner ansichtig wird, keinerlei Überraschung oder Empörung ob seiner seltsamen Aufmachung. »Denman Halfast«, erklärt er anstelle eines Grußes und zeigt dabei auf seinen im Rückzug begriffenen Gegner. »Hiesiger Großgrundbesitzer: wenn sich mit seinen Liegenschaften auch sein Horizont erweitert hätte, könnte er jetzt eine wahre Säule des Gemeinwesens sein.«
    »Und Ihr werter Name?«
    »Cornell.« Der große Mann lüftet den Hut, hustet dann; er ist nicht mehr der Jüngste - schon seit geraumer Zeit nicht mehr. »Ezra Cornell.«
    »Der Millionär.« Mr. Sunshine nickt, ohne sich seinerseits vorzustellen. »Einer der Gründer der Western and Union Telegraph. Ich habe schon von Ihnen gehört. Und täusche ich mich, oder haben Sie wirklich von der Gründung einer Universität gesprochen ?«
    »Da oben.« Cornell zeigt auf den Hügel, jetzt kaum mehr als ein Schattenriß; die Sonne ist endgültig hinter dem Horizont verschwunden, und in wenigen Minuten wird völlige Finsternis herrschen.
    »Da oben«, wiederholt Mr. Sunshine und nickt abermals. Klingt ganz vernünftig. »Viele Menschen werden einst hierherkommen. Viele Personen...«
    »Ich glaube nicht, daß ich Sie schon einmal gesehen habe«, sagt Cornell. »Sind Sie viel auf Reisen?«
    »Manchmal«, bestätigt Mr. Sunshine.
    »Was führt Sie nach Ithaca?«
    »Geschichten«, lautet die Antwort. »Ich bin ein Geschichtenerzähler auf der Suche nach einer neuen Fabel. Vielleicht kann ich was aufschnappen.«
    Ezra Cornell runzelt kaum merklich die Stirn. »Geschichtenerzähler. Sie schreiben Romane?«
    »Ich schreibe, ja. Mißbilligen Sie das?«
    »Nun«, Cornell räuspert sich, »ich schätze gewiß die schöne Literatur —«
    »Ich auch«, sagt Mr. Sunshine. »Besonders gern beschäftige ich mich mit den Klassikern: Chaucer, den altnordischen Sagas, den Heiligenviten, Shakespeare, der griechischen Mythologie natürlich -«
    »—natürlich«, schaltet sich Cornell wieder ein, »aber Unterhaltungsliteratur habe ich von jeher
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