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Fool on the Hill

Fool on the Hill

Titel: Fool on the Hill
Autoren: Matt Ruff
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für eine schlichte Vergeudung von Zeit und Gelehrsamkeit gehalten.«
    »Dann können Sie ganz unbesorgt sein«, beruhigt ihn Mr. Sunshine. »Verstehen Sie mich recht, ich bin kein gewöhnlicher Erzähler, kein Schreiberling, der mit billigen Erfindungen tändelt. Ich bin ein Geschichtenerzähler; ich schreibe ohne Papier, und alle meine Dichtungen, Ezra, sind wahr.«
    Cornell sieht ihn verständnislos an, und Mr. Sunshine antwortet mit einem Lächeln.
    »Schon gut«, sagt das griechische Original. »Kommen Sie, begleiten Sie mich. Ich möchte mir Ihren Hügel ansehen... und schauen, was ich damit anfangen kann.«
     
     
    Erstes Buch Die Straße zum Hügel
     
    Der Schutzheilige der Tagträume
     
    I
     
    An einem windstillen Sommertag eines unbestimmten Jahres, mehr als ein Jahrhundert nach der Gründung von Cornell, erklomm ein Mann, der vom Lügen lebte, den Hügel, um einen Drachen steigen zu lassen. Er war ein (selbst für einen professionellen Lügner) erstaunlich reicher junger Mann, und er wohnte allein in einem knallgelben Haus in der Stewart Avenue.
    Der Lügner (auch als Schriftsteller bekannt) ging mit flottem Schritt den Libe Slope hinauf, und so sehr war er an die Steigung gewöhnt, daß er kaum ins Schnaufen und schon gar nicht ins Keuchen kam. Auf halber Höhe blieb er stehen und warf einen prüfenden Blick gen Himmel; es sah nach Regen aus, doch vorläufig würde sich das Wetter noch halten. Er setzte seinen Aufstieg fort.
    Es war Sonntag, und er war auf dem Weg zum Arts Quad, den er mit einiger Unverfrorenheit für das Herz der Universität hielt. Während der Vorlesungszeit war nirgendwo auf dem Campus soviel los - angefangen mit dem Griechischen Festival im September bis hin zur Verbrennung des Grünen Drachen im März - wie auf dem Quad, und außerdem war es der Ort, wo alles angefangen hatte. Die allerersten drei Gebäude der Universität - Morrill, White und McGraw Hall - standen auf dem Kamm des Hügels wie alte, graue Männer und blickten gelangweilt auf die Stadt zu ihren Füßen. Unmittelbar südlich von ihnen bohrte sich, neben der Uris-Bibliothek, der McGraw-Glockenturm in den Himmel: eine weitere Schildwache. Sein Geläut war der Schlag dieses Herzens, auch wenn es manchmal den Ton nicht richtig traf.
    Der Arts Quad war außerdem ein echt guter Platz zum Drachensteigenlassen - selbst an einem Tag ohne Wind.
    Oben angelangt, bog der Mann, der vom Lügen lebte, zwischen Morrill und McGraw Hall ein. Die zwei gedrungenen Kästen waren ein Tribut an Ezra Cornells völligen Mangel an ästhetischem Empfinden und ließen es nicht unverständlich er scheinen, daß man für den Entwurf der anderen Universitätsgebäude kunstsinnigere Architekten verpflichtet hatte.
    Auf dem Quad entbot der professionelle Lügner den Standbildern von Ezra Cornell und Andrew White seinen Gruß und setzte sich dann ins Gras, um den Drachen zusammenzubauen. Um diese Zeit - die Zeiger der Uhr des McGraw-Glockenturms standen auf fünf nach zwölf - war er da oben der einzige Mensch weit und breit. Cornell machte gerade seinen allsommerlichen Winterschlaf durch, die tote Zeit zwischen der Abreise der letzten Sommerkursteilnehmer und der Ankunft der ersten regulären Studenten zum Herbstsemester. North und West Campus, die zum größten Teil aus Wohnheimen bestanden, waren jetzt Geisterstädte; auf dem Central Campus hielten nur ein paar vereinzelte Dozenten die Stellung, von denen die meisten noch im Bett lagen und in Visionen von Forschungsstipendien schwelgten.
    Die Hunde waren allerdings unterwegs. Wie immer. Ende der dreißiger Jahre hatte ein gewisser Ottomar Lehenbaur, einer der Stammaktionäre der Ford Motor Company, Cornells Fakultät für Maschinenbau zwei Millionen Dollar gespendet. Da »Lehenbaur Hall« holprig - und für damalige Verhältnisse vielleicht etwas zu deutsch - geklungen hätte, überzeugte der Treuhänderausschuß Ottomar von der Ratsamkeit, eine andere Bedingung an seine Schenkung zu knüpfen. Nach reiflicher Überlegung verfaßte er daraufhin ein Kodizill, das jedem Hund, »gleich, ob herrenlos oder nicht, in alle Zukunft, zumindest aber solange diese Universität bestehen mag«, die uneingeschränkte Freizügigkeit innerhalb der Grenzen des Campus garantierte. Vornehmlich infolge dieses Kodizills war die Hundedichte auf dem Hügel so stark angestiegen, daß sie mittlerweile etwa dreimal so hoch war wie im Rest dieser Region des Staates New York.
    Der Berufslügner schaute von seinem Drachen
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