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FOOD CRASH

FOOD CRASH

Titel: FOOD CRASH
Autoren: Felix zu Löwenstein
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entlanggefahren. Nach zwei Stunden herrschte in unserem Auto nur noch bleiernes, bedrücktes Schweigen. Der Anblick von Plastik-Gewächshäusern von Horizont zu Horizont raubte uns die Worte, und dies nicht nur wegen der Vernichtung einer Landschaft, die man vor wenigen Jahrzehnten wenigstens zu bestimmten Jahreszeiten wohl noch als »lieblich« wahrgenommen hätte. Sondern auch weil wir wussten, dass es das Wasser für den Betrieb der Anlagen gar nicht gibt. Da über viele Jahre erheblich mehr Wasser entnommen wurde, als durch Regen und Zufluss aus dem Binnenland ersetzt wird, sank der Grundwasserspiegel in nahezu unerreichbare Tiefen. Mittlerweile wird das meiste Wasser aus fossilen Vorkommen, die über 1000 m unter der Erdoberfläche liegen, heraufgepumpt. Diese in längst vergangenen erdgeschichtlichen Epochen entstandenen Wasservorräte kann man nutzen. Einmal. Dann sind sie weg. Aber wenigstens haben wir bis dahin noch höchst erschwingliche Tomaten im Dezember …
    Durch den mangelnden Gegendruck des Grundwassers beginnt nun das Meerwasser unter die Ebene einzusickern und dort die Reste der sich natürlich regenerierenden Wasservorkommen zu versalzen. Eigentlich ist dieses Beispiel schlecht gewählt, denn von versalzenden Böden wird die Produktion in den Gewächshäusern nicht beeinträchtigt. Dort keimt der Samen längst nicht mehr im Boden, sondern in Plastikschläuchen, sogenannten »grow bags«. Die sind mit einem Substrat aus Steinwolle gefüllt, so dass die Wurzeln den Boden nicht mehr zu erreichen brauchen. Nach einer Nutzung wandern die gefüllten Schläuche – Plastik und Substrat – auf die Deponie (oder in die Schlucht hinter dem Gewächshaus).
    Vielleicht hätte ich deshalb eher an die Bilder aus Russland erinnern sollen, die sich mir so stark eingeprägt haben. Die von den Schiffen, die in staubigen, unfruchtbaren Sandwüsten liegen, die einst vom Aralsee bedeckt waren, von dem nach wenigen Jahrzehnten dauernder Übernutzung der Zuflüsse zur Bewässerung von Baumwollfeldern nur noch eine seichte stinkende Pfütze übrig ist. Und rundum eine riesige wertlos gewordene Fläche, auf der Salzkristalle im Abendrot glitzern. Im einen wie im anderen Fall endet es mit dem gleichen Ergebnis wie einst in Mesopotamien: Sind die Lebensgrundlagen aufgebraucht, bleibt nur noch die Auswanderung.
     
    In der Summe aller Degradationsformen verliert die Menschheit auf diese Weise jedes Jahr fruchtbare Böden im Umfang von zehn Millionen Hektar [15]  – fast so viel, wie die gesamte Ackerfläche der Bundesrepublik Deutschland. Professor Pimentel, der an der Universität von Cornell für Ökologieforschung zuständig ist, beziffert alleine in den USA den jährlichen volkswirtschaftlichen Schaden, der durch den Verlust landwirtschaftlicher Produktionskapazität verursacht wird, auf 37,6 Milliarden US -Dollar. Weltweit summiert sich diese Zahl auf 400 Milliarden – genug, um einmal jährlich eine Bankenkrise abzuwenden! In ihrem »Millennium Ecosystem Assessment Report« schätzen die Vereinten Nationen, dass zwischen 1950 und 1990 ein Drittel aller fruchtbaren Böden weltweit durch Degradation verlorengegangen sind. In Büchern sind keine Megafone integriert, sonst würde ich das jetzt mal auf 100 Dezibel stellen:
ein Drittel!
     
    Liebe Mitmenschen auf diesem Planeten, deren Kinder noch etwas zu essen vorfinden sollen: Finden Sie wirklich, dass die Erhöhung der Produktivität die erste Priorität hat, während all das passiert? Oder wäre es nicht eher an der Zeit, die hoch produktiven Produktionsverfahren, mit denen wir all das angerichtet haben, grundsätzlich in Frage zu stellen?

Die betonierte Zukunft
    Leider ist eine gierige Landwirtschaft – oder eine dilettantische –, die den Boden, von dem sie lebt, nicht schützt, nicht die einzige Methode, mit der wir den Grund dezimieren, auf dem die Zukunft unserer Ernährung steht. Nur das geschulte und bewusst sehende Auge wird wahrnehmen, dass auch von unseren Äckern, hier in Deutschland, Boden abgetragen wird. Aber niemand kann übersehen, wie rund um uns herum Jahr für Jahr landwirtschaftliche Nutzfläche unter Straßen, Baugebieten und Tennisplätzen verschwindet.
    Dass in Ländern mit exorbitantem Bevölkerungswachstum Städte in die Landschaft wuchern und Feld um Feld verschlingen, weil die neu hinzugezogenen oder hinzugeborenen Menschen zu Bewohnern werden wollen, ist wenig erstaunlich. Ich habe neulich Luftbildaufnahmen von indonesischen
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