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FOOD CRASH

FOOD CRASH

Titel: FOOD CRASH
Autoren: Felix zu Löwenstein
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trägt den schlichten Titel »Dreck« und beschreibt, wie schon vor Jahrtausenden im Zweistromland der Sumerer und im Quellgebiet des Gelben Flusses wenige Jahrhunderte einer erosionsfördernden Nutzung reichten, um den Menschen ein für alle Mal die Lebensgrundlage zu entziehen. Und es zeigt, wie nach der langen Geschichte des Werdens und Vergehens von Zivilisationen der Mensch heute zu einer industriellen Meisterschaft der Effektivität gelangt ist. Wir zerstören mit unserer großflächigen, modernen und leistungsfähigen Landwirtschaft heute mehr an Boden als alle Generationen vor uns.
    Dabei geht es nicht nur um Boden, der auf ohne Erosionsschutz bearbeiteten Hängen zu Tal geschwemmt wird, sondern um einen vielgesichtigen Komplex, der unter dem Begriff »Degradation« zusammenzufassen ist. Auch Wind kann Erosion bewirken, so wie im berüchtigten »dust bowl«, im Mittleren Westen der USA . Dort wurde in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts der umgepflügte und durch keinerlei Windschutzhecken geschützte Prärieboden in gigantischen Staubstürmen binnen weniger Tage fortgetragen. Dieser Boden ist verschwunden, ein für alle Mal – auch wenn die Farmer in der Folge dieser Katastrophe dazu übergingen, nur noch schmale lange Streifen zu bewirtschaften und sich mit Hecken und Feldrainen vor der zerstörerischen Kraft des Windes zu schützen. Der Gründer des World Watch Institute, Lester Brown, machte im Januar 2011 in einem Beitrag in
Foreign Policy
[13] darauf aufmerksam, dass auf Satellitenbildern die Ausbildung von zwei »dust bowls« erkennbar sei, vor denen sich die amerikanischen Bodenstürme der 1930er wie Zwerge ausnähmen: der eine über der westlichen Mongolei, Nordwestchina und Zentralasien, der andere über Zentralafrika. Sie tragen Millionen von Tonnen fruchtbaren Oberbodens davon. Und sie hinterlassen Hunger.
     
    Eine viel greifbarere Einführung ins Thema hat uns Deutsche eine Verkehrsnachricht Mitte April 2011 gebracht. Acht Tote, 40 Verletzte – das war die Bilanz einer spektakulären Massenkarambolage auf einer Autobahn in Mecklenburg-Vorpommern. Der Auslöser war ein veritabler Sandsturm. Er hatte zu schlechten Sichtverhältnissen geführt. Sandsturm? In Mecklenburg? Was in den Nachrichten nicht gemeldet wurde, war die Katastrophe hinter der Katastrophe. Dieser Sandsturm kam nämlich nicht aus der Sahara und auch nicht vom Strand in Heiligendamm. Der kam aus den Weiten mecklenburgischer Äcker. Die sind nämlich so rationell geschnitten, dass man mit größten Maschinen größte Flächenleistungen bekommt. [14] Und jede Menge Angriffsfläche für den Wind, der dort nichts anderes macht als in der Mongolei, in Zentralafrika oder dem amerikanischen Mittelwesten. Er trägt die Ackerkrume fort. »Ja, das war schon immer so«, sagte mir dazu ein junger Landwirt aus dieser Region, als wir den Vorfall besprachen. »Wenn aber ein Mehrfaches an Boden weggetragen wird, als neu entsteht?« – »Dann haben wir ein Problem …«, war seine Einsicht, und ich hoffe, dass ihn jetzt die Frage umtreibt, ob es auf lange Sicht nicht rentabler ist, die Flächenleistung seiner Maschinen durch Einziehen von Windschutzhecken zu vermindern.
     
    Neben falschem Ackerbau kann auch Überweidung Ursache für Erosion sein. Zu viele Weidetiere schädigen die Grasnarbe so stark, dass nicht mehr genügend Pflanzenbewuchs und Wurzeln bleiben, um den Boden festzuhalten. Das Gleiche gilt für Entwaldung.
    Ebenso folgenreich wie das Verschwinden des Bodens ist die Versalzung. Sie wird durch Wasser bewirkt, das in den feinen Kapillaren des Bodens aufsteigt, an der Oberfläche verdunstet und die im Wasser gelösten Salze an der Oberfläche zurücklässt. Insbesondere falsche Bewässerungstechniken haben schon Millionen von Hektar auf diese Weise unfruchtbar gemacht.
    Versalzung kann auch durch Eindringen von Meerwasser bewirkt werden. Das prominenteste Beispiel dafür ist gerade erst dabei, sich zu entwickeln. Ich hatte davon schon gehört und gelesen, gesehen hatte ich sie noch nicht: die Plastikwüsten an der Küste von Almería in Andalusien. Dort wachsen Tomaten, Gurken, Salat und Paprika und sorgen für bunte Vielfalt auf unserem Teller, unabhängig von der Jahreszeit.
    Im Herbst 2010 haben wir eine unserer Töchter besucht, die in Granada ein Auslandssemester absolvierte. In der irrigen Annahme, es gäbe zwischen Almería und Málaga etwas zu besichtigen, sind wir den etwa 200 km langen Küstenstreifen
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