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Föhn mich nicht zu

Föhn mich nicht zu

Titel: Föhn mich nicht zu
Autoren: Stephan Serin
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wolle man mich als Referendar, eher, als sei
     es ein Verbrechen von mir, mich überhaupt beworben zu haben. Und da man mich formal nicht ablehnen konnte, versuchte man nun,
     mich eben mittels dieses unfreundlichen |12| Behördenjargons zum Aufgeben zu bewegen. In der Tat erschien mir ein fortgesetztes Leben mit Hartz IV angesichts der Alternative
     Lehrerausbildung gerade deutlich weniger bedrohlich als sonst, denn als Arbeitsloser hatte ich mich schließlich schon bewährt.
     Nur hätte Frau Schönemann, um sicherzugehen, dann auch gleich noch deutlicher werden können, in etwa so:
     
    Herr Serin,
     
    es ist unsere Pflicht, Sie davon in Kenntnis zu setzen, dass nach dem Ergebnis des Zulassungsverfahrens Ihre Einstellung in
     den Vorbereitungsdienst zum 22.   August 2007 erfolgen könnte. Informationen über Zuweisung zur Ausbildungsschule folgen. Unterstehen Sie sich, mich oder meine
     Kollegen diesbezüglich mit telefonischen Nachfragen zu belästigen.
    Um sicherzugehen, dass unsere Schüler nicht von kranken oder behinderten Menschen (zum Beispiel solchen mit Klumpfüßen) unterrichtet
     werden, haben wir für Sie eine amtsärztliche Untersuchung beim zuständigen Gesundheitsamt angeordnet, welches Ihnen den Untersuchungstermin
     schriftlich mitteilt. Sollten Sie der Aufforderung zur Untersuchung nicht nachkommen oder um eine Verschiebung des Termins
     ersuchen, so interpretieren wir dies als vorsätzliches Verschweigen krankheits- bzw. behindertenrelevanter Tatbestände. Dieser
     Betrug hat ein sofortiges lebenslanges Berufsverbot in Berlin und allen anderen Bundesländern zur Folge.
    Da Sie nicht weiblich sind, sind Sie überdies verpflichtet, uns innerhalb der kommenden zwei Wochen ein aktuelles polizeiliches
     Führungszeugnis vorzulegen. Sollte laut diesem nichts zu beanstanden sein, so werden wir |13| Sie noch einem Lügendetektortest zu eventuell vorhandenen Sympathien für totalitäre Systeme unterziehen. Das machen wir bei
     allen Kandidaten so, die auf dem Boden der DDR zur Welt gekommen sind.
    Ihre Lohnsteuerkarte für das Jahr 2007 und das ausgefüllte Formblatt bringen Sie bis zum 20.   Juni gefälligst persönlich in unserer Dienststelle vorbei. Unsere Sprechzeiten sind montags von 11.00   –   11.15   Uhr und von 11.15   –   11.30   Uhr. Belästigen Sie uns nicht außerhalb dieser Sprechzeiten. Der Postweg wird nicht akzeptiert.
    Sollten Sie wider Erwarten alle Bedingungen erfüllen, so werden wir Sie am 22.   August vereidigen müssen, ob es uns passt oder nicht.
    Abschließend möchten wir Sie noch darauf hinweisen, dass Ihre Chancen, nach dem Referendariat als Lehrer eine Stelle zu finden,
     äußerst gering sind, hingegen Ihre Chance, während des Referendariats an Burnout zu erkranken, umso größer. Für zukünftige
     Rückfragen werden wir Ihnen nicht mehr zur Verfügung stehen.
     
    Gruß,
    Senatsverwaltung für
    Bildung, Jugend und Sport
     
    Wenn es Frau Schönemann nicht darum gegangen war, mich abzuschrecken, sondern abzuhärten, damit ich vom Referendariat selbst
     nicht mehr so geschockt werden konnte, dann hatte sie ihr Ziel verfehlt. Gerade in dieser Phase voller Selbstzweifel an meiner
     beruflichen Eignung und daran, das benötigte Durchhaltevermögen für die Ausbildungszeit zu besitzen, brauchte ich besonders
     viel Zuspruch. Und hätte darum ein Schreiben in folgender Akzentuierung bitter nötig gehabt:
     
    |14| Lieber Herr Serin,
     
    als Ihre persönliche Sachbearbeiterin ist es mir eine Freude, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass Sie nach dem Ergebnis des Zulassungsverfahrens
     kurz vor Ihrer Einstellung in den Vorbereitungsdienst stehen. Über Ihre Ausbildungsschule liegen noch keine näheren Informationen
     vor. Die Rütli wird es aber nicht sein, das kann ich Ihnen schon mal versichern. Ich rufe Sie jedenfalls sofort an, sobald
     ich Näheres weiß.
    Um tatsächlich eingestellt werden zu können, müssen Sie noch ein amtsärztliches Gutachten vorlegen. Aber keine Sorge, die
     Amtsärztin ist ein bisschen schwer von Begriff. Behaupten Sie einfach, Sie seien gesund. Die glaubt Ihnen das. Und wenn Sie
     sich Sorgen um Ihre Urinprobe machen, dann bringen Sie einfach eine fremde mit.
    Überdies bräuchte ich noch ein polizeiliches Führungszeugnis von Ihnen. So sympathisch wie Sie auf dem Passfoto in Ihrer Bewerbung
     lächeln, kann ich mir zwar nicht vorstellen, dass Sie irgendetwas verbrochen haben. Aber Sie wissen ja selbst, wie unflexibel
     Behörden oft sind.
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