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Flucht in die rote Welt

Flucht in die rote Welt

Titel: Flucht in die rote Welt
Autoren: John D. MacDonald
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Keller, wo er sich an allen möglichen Erfindungen versuchte. Ich schätzte, es war der einzige Platz im ganzen Haus, wo er sich wohlfühlte. Tante Thelma keifte dauernd, weil er zuviel Geld für Werkzeug und Material ausgab und die Stromrechnungen laufend anstiegen. Als ich elf war, kündigte er mitten im Schuljahr, fuhr nach Reno und gewann hundertsechsundzwanzigtausend Dollar. Es stand in allen Zeitungen. Man nannte ihn ein Mathematik-Genie. Man verfolgte ihn. Jeder Verrückte im Land war hinter ihm her. Er hinterließ auf der Bank genügend Geld für uns und verschwand spurlos. Nach einem Jahr tauchte er wieder in Reno auf und verlor hunderttausend Dollar. Danach hatte niemand mehr Interesse an ihm. Er kehrte zurück und nahm uns mit nach Texas, wo er auf einer Insel im Golf ein Haus gebaut hatte. Er setzte Tante Thelma eine hohe Summe aus und ließ sie nach Pittsburgh zurückkehren. Ich blieb bei ihm, bis ich aufs College kam. Er hatte inzwischen eine Menge Geschäftsverbindungen in der ganzen Welt. Er bezahlte meine Ausbildung und gab mir einen Job, als ich das Studium beendet hatte. Aber – er hinterließ mir nichts, und ich weiß nichts von seinen Geschäften. Um ehrlich zu sein, ich kannte ihn nicht so genau. In den Zeitungen steht, daß es sich um einen Fünfzig-Millionen-Besitz handelt. Mir hinterließ er seine Uhr und einen Brief, der erst in einem Jahr geöffnet werden darf.«
    »Und Sie haben das Charla erzählt?«
    »Ja.«
    »Und Sie haben ihr erzählt, wie Sie sich Ihren Lebensunterhalt verdienten?«
    »Ich glaube schon.«
    »Und während all der Jahre haben Sie sich nicht die geringsten Gedanken über Ihren Onkel gemacht?«
    Betsy Alden ärgerte ihn allmählich. »Auch wenn ich Ihnen wie ein Idiot erscheinen mag – ich besitze eine durchschnittliche Intelligenz. Mein Onkel hat den Lehrerberuf ganz plötzlich an den Nagel gehängt. Und wie viele Lehrer schaffen es, große Finanzbosse zu werden?«
    »Er entdeckte also etwas, das ihm einen gewissen Vorteil vor den anderen verschaffte.«
    »Einen so großen Vorteil, daß er Geld verschenken konnte. Vielleicht war es das Gewissen.«
    Sie nickte freundlich. »Also ist Charla jetzt brennend an dem Brief interessiert – das ist doch klar.«
    »Aber – ich bekomme ihn doch erst in einem Jahr.«
    »Mister Winter, eine Erklärung für die Arbeitsmethoden Ihres Onkels ist ein Jahr Mühen wert. Und am Ende dieses Jahres hat Charla Sie so in der Hand, daß Sie ihr den Brief ungeöffnet überreichen werden, wenn Sie ihr damit nur einen Gefallen erweisen können.«
    »Sie haben keine schmeichelhafte Meinung von mir.«
    »Ich kenne Charla.«
    »Und was haben Sie in dem Spiel zu tun? Wollen Sie auch den Brief?«
    »Glauben Sie mir, alles was ich will, ist ein Ansatzpunkt. Es ist mir egal, wie oder wo ich ihn bekomme, aber ich möchte Charla so unter Druck setzen, daß sie mich für immer in Frieden läßt.« Sie stach Kirby mit spitzem Finger in die Brust. »Und wenn ich Sie dazu verwenden kann, Charla loszuwerden, wäre ich ein glückliches Mädchen. Gleichzeitig könnte ich Ihnen einen Gefallen erweisen und Sie vor dem Sumpf retten.«
    »Hassen Sie Charla so sehr?«
    »Haß ist ein kompliziertes Gefühl. Für Charla empfinde ich nur Verachtung. Sie ist eigentlich ganz leicht zu verstehen. Ihr einziges Motiv ist Gier, Gier nach Geld, Macht, hübschen Dingen, Bewunderung, sinnlichem Vergnügen. Sie liebt ihre Macht, Winter. Bei Joseph ist das ähnlich, aber die Ideen gehen von Charla aus.«
    »Joseph ist Ihr Onkel?«
    »Kaum. Sie behauptet, er sei ihr Bruder, aber er dürfte höchstens ein weitläufiger Verwandter sein. Die beiden sind so charmant, nicht wahr? Aber gerade das macht sie zu einem tödlichen Gespann.«
    »Ich habe immer noch das Gefühl, daß Sie das Ganze dramatisieren. Ich glaube einfach nicht ...«
    »Einen Moment. Mir ist eben etwas eingefallen. Sie sind sein einziger lebender Verwandter. Das stand in den Zeitungen, also muß auch Charla Bescheid wissen. Müßten Sie da nicht seine persönlichen Dinge ausgehändigt bekommen?«
    »Kann sein. Ich habe bisher noch nicht daran gedacht.«
    »Glauben Sie mir, Charla hat daran gedacht. Wagen Sie es ja nicht, ihr etwas zu übergeben.«
    »Wofür halten Sie mich eigentlich?«
    »Nun seien Sie nicht gleich eingeschnappt. Wir wissen, daß sie krampfhaft nach etwas sucht. Wir müssen also herausfinden, was es sein könnte. Vielleicht läßt sich ein Geschäft mit Charla machen. Und nehmen Sie mich als
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