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Flucht in die Hoffnung

Flucht in die Hoffnung

Titel: Flucht in die Hoffnung
Autoren: Tina Rothkamm
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Wir
arbeiten häufig mit ihm zusammen. Ihr Schicksal ist ja kein Einzelfall, es gibt
viele Frauen in Ihrer Situation.«
    Am selben Tag noch suchten wir den Anwalt auf. Er war über unsere
Geschichte bereits informiert und teilte mir mit, dass mein Sorgerecht von
Beginn an zu meinen Gunsten formuliert gewesen sei. Ich hätte ohne die
Erlaubnis meines Exmannes jederzeit ausreisen können, wenn ich Emiras deutschen
Pass und meine Sorgerechtsbescheinigung vorgezeigt hätte. Zu keinem Zeitpunkt
hätte ich eine Erlaubnis von Farid benötigt, da mein alleiniges Sorgerecht das
Ortsbestimmungsrecht für das Kind mit einschloss. So etwas hatte ich kürzlich
schon einmal gehört bei einem Telefonat in Deutschland mit einer Anwältin, die
Mohamed ausfindig gemacht hatte. Ich musste endlich einsehen, dass ich das
Problem nie von Tunesien aus würde lösen können. Ich hatte keine Möglichkeit
gesehen, wie mir Deutschland hätte helfen sollen. Schließlich war Tunesien aus
Sicht der Behörden ein anerkannter Rechtsstat, wie mir immer wieder gesagt
worden war. Diese Möglichkeit erkannte erst Mohamed, der begeistert von
Deutschland und den hiesigen Möglichkeiten war. Mohamed, so kommt es mir
manchmal vor, liebt die Bürokratie geradezu. Ich hingegen hatte sie besonders
während meiner Zeit in Tunesien mehr und mehr als Schikane empfunden, bei der
kein Mensch jemals gewann, sondern klein gehalten wurde und unterging. Anliegen
wurden nie gelöst, sondern endeten ordentlich zwischen Akten wie Sargdeckeln.
    Tonnenweise fielen uns nun die Steine vom Herzen. Doch noch immer
konnte ich all dem nicht trauen. Stimmte das denn auch, was wir da hörten? Ich
war doch eine blockierte Person.
    »Jedes Mal, wenn mein Pass in Tunesien eingelesen wird, leuchtet die
rote Lampe auf«, unterrichtete ich den Anwalt.
    »Hm«, machte er und sah plötzlich nicht mehr ganz so zuversichtlich
aus. Er dachte nach, blätterte in einem Gesetzestext, schüttelte den Kopf, dann
nickte er bedächtig und schlug vor, als erste Maßnahme eine Ferienerlaubnis für
Emira in Deutschland zu erwirken.
    »Das haben wir schon zweimal versucht.«
    »Aller guten Dinge sind drei«, sagte Mohamed und zeigte sich damit
bereits in deutschen Sprichwörtern sattelfest.
    Wir formulierten einen nachvollziehbaren Grund, setzten dann alle
Hebel in Bewegung und ließen uns von dem Altenheim, in dem meine zweite Oma,
die Mutter meines Vaters, lebte, eine Bestätigung faxen, dass sie schon sehr
alt und krank und es ihr ein Herzensanliegen sei, ihre Urenkelin noch einmal
sehen zu können. Deshalb bitte sie inständig, dass Emira sie besuchen dürfe.
    Und dann warteten wir. Eine Woche, zwei Wochen. Die Zeit wurde
knapp; wir hatten die Tickets für den Rückflug bereits gekauft, die wir mit dem
Antrag auf Emiras Deutschlandferien vor Gericht zeigen mussten, um zu beweisen,
dass wir auch wirklich ausreisen würden beziehungsweise über das nötige Geld
verfügten, den Hin- und Rückflug für Emira zu bezahlen.
    Nach zwei Wochen saßen wir noch immer fest. Und dann erreichte uns
die Hiobsbotschaft, dass die Unruhen sich ausgebreitet hätten und nun auch in
Libyen Tausende von Menschen auf die Straße gingen und für ihre Rechte
kämpften.
    Libyen war für uns noch immer eine Option, sollten sich alle anderen
Wege als Sackgassen erweisen. Ein hoher Regierungsbeamter, dem unser Schicksal
sehr naheging, hatte einen Plan geschmiedet, wie er uns eventuell mit einem
Notarztwagen außer Landes bringen könnte. Er sicherte uns zu, alles in seiner
Macht Stehende zu tun, da ein Blinder sehen könne, wie sehr Emira an mir hänge.
Grausam sei es, die Tochter von der Mutter zu trennen. Vorsorglich beschlossen
wir, uns ein Visum zu besorgen. Leider hörten wir auf der libyschen Botschaft,
dass ein Visum derzeit drei Monate Bearbeitungszeit beanspruche. Das wunderte
mich, denn als ich das letzte Mal Erkundigungen eingeholt hatte, wäre es wesentlich
schneller gegangen.
    »Gibt es denn wirklich Unruhen?«, fragten
wir. »Wir haben im Fernsehen Bilder von Demonstrationen gesehen.«
    »O nein, das sind lediglich Feste zu Ehren Gaddafis.«
    Mohamed und ich wechselten einen Blick. Diese Art der Verschleierung
war uns bekannt. Wir ahnten, dass Libyen nicht mehr sicher für uns war.
    Wir setzten all unsere Hoffnung darauf, dass Emira der
Ferienaufenthalt bewilligt wurde. Einen Tag vor dem geplanten Abflug machten
wir uns auf den Weg zum Flughafen. Da erhielten wir per Handy den Bescheid des
Gerichts: Keine
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