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Flucht aus Oxford

Titel: Flucht aus Oxford
Autoren: Veronica Stallwood
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Mutter noch nicht einmal bereit war, ihr zuzuhören.
    Sie trank ihren Kaffee und schenkte Tim und sich ein Glas Whisky ein. Während des Dinners im Leicester hatte sie, weil sie noch fahren musste, lediglich Mineralwasser getrunken und war der Meinung, dass sie sich jetzt durchaus einen kleinen Absacker gönnen durfte.
    Tim setzte sich neben sie auf eines der großen Sofas. »Wir beide haben einige sehr interessante Gespräche über Kirche und Moral geführt«, begann er.
    »Tatsächlich? Ich kann mich, ehrlich gesagt, nicht daran erinnern.«
    »Oh doch. Und mir scheint, Sie haben uns gegenüber einige Vorurteile.«
    »Wen meinen Sie mit ›uns‹?«
    »Uns Kirchenleute.«
    »Ich finde es schwierig, einem Pfarrer gegenüber kein Vorurteil zu haben. Trotz der Schlagzeilen, die einige Ihrer Kollegen manchmal in den Sonntagszeitungen verursachen, sind die meisten von Ihnen eher konventionell gestrickt, richtig?«
    »Mag sein, dass Sie uns konventionell finden. Trotzdem haben wir uns im Lauf der Zeit durchaus weiterentwickelt. Vor allem während der letzten zehn Jahre.«
    »Wollen Sie damit etwa andeuten, dass Sie homosexuell sind?«
    »Ich eine Schwuchtel? Du liebe Zeit! Nein, ganz bestimmt nicht!«
    »Na, na, wer von uns beiden hat hier wohl Vorurteile? So schlimm wäre es doch nun auch wieder nicht! Mir würde es absolut nichts ausmachen, wenn Sie auf Männer stünden.«
    »Ich versuche gerade, Ihnen zu erklären, dass sich die herkömmlichen Moralvorstellungen geändert haben«, fuhr Tim unbeirrt fort. »Wir versuchen schon lange nicht mehr, unsere Sexualität zu verleugnen.«
    »Ach! Dann wollen Sie mir also sagen, dass Sie Gefallen an mir finden?«
    »Nein! Also, eigentlich ja.«
    »Was denn nun?«, fragte Kate matt. War sie bereit für einen neuen Mann in ihrem Leben? Sie wusste es nicht. Sie war sich noch nicht einmal sicher, ob ihr Freund Paul Taylor, der Detective Sergeant, nicht doch noch eine Rolle spielte. Der Gedanke, er könne in der Agatha Street auf sie warten, sollte sie es je wagen, wieder dorthin zurückzukehren, war ihr alles andere als unangenehm. Zwar hatte sie Tim gedrängt, sich zu bekennen, doch sie selbst war dazu nicht bereit.
    »Immer mit der Ruhe, Kate. Gönnen Sie mir die Zeit, das zu sagen, was ich empfinde.«
    »Dann legen Sie mal los!«
    »Sie behandeln mich, als wäre ich eine Art Eunuch. Aber das bin ich nicht, auch wenn ich ein Kollar trage. Ich bin ein Mann wie jeder andere. Ein Mann, der Sie zum Essen ausführen kann, oder …«
    »Oder mich zum Tee einlädt«, beendete Kate den Satz. »Ich habe verstanden, Tim. Ich denke darüber nach. Ehrlich.« Und ich werde mich bemühen, Sie nicht immerzu so unbarmherzig auf die Schippe zu nehmen, ergänzte sie in Gedanken.
    »Schön. Gut. Ich danke Ihnen«, sagte Tim steif. Er setzte seine Kaffeetasse ab und leerte sein Whiskyglas. »Ich glaube, ich sollte jetzt lieber gehen«, fügte er hinzu.
    »Natürlich, wenn Sie wollen«, bemerkte Kate leichthin. »Tim, wir kennen uns noch nicht sehr lange. Eine Woche vielleicht, eher weniger. Lassen Sie uns Zeit. Solche Dinge darf man nicht übers Knie brechen, finden Sie nicht?«
    »Sicher. Sie haben recht«, antwortete er deutlich entspannter. Er stand auf und nahm seine Jacke von der Rückenlehne des Sofas. »Trotzdem finde ich, dass ich jetzt heimgehen sollte.«
    Am Gartentor blieben sie stehen. Man musste sie einfach genießen, die dunkle, friedliche Landschaft unter dem ungetrübten Sternenhimmel von Gatt’s Hill.
    »Aber denken Sie bitte trotzdem noch einmal darüber nach, was ich vorhin gesagt habe«, bat Kate. »Ich meine, dass Tony Fuller vielleicht doch Donnas Rabe sein könnte. Es würde eine Menge offener Fragen beantworten.«
    »Ich werde darüber nachdenken«, versprach er. »Allerdings kann ich einfach nicht glauben, dass Tony eigens vom Leicester College herkommt, um sich mit einer kleinen Dorfgärtnerin abzugeben. Das erscheint mir doch ziemlich weit hergeholt.«
    »Wahrscheinlich haben Sie recht. Trotzdem kam es mir wie eine Art Offenbarung vor, als ich ihn in seiner Robe vor dem Scheinwerfer stehen sah.«
    »Am besten, Sie schlafen erst einmal drüber. Wer weiß, wie Sie die Sache morgen sehen.«
    »Gute Nacht«, verabschiedete sich Kate und kehrte ins Cottage zurück.
    Ein wirklich faszinierender Gedanke, mit einem Pfarrer zu schlafen, dachte sie. Denn vermutlich war es das, worauf Tim mit seinen Ausführungen über die veränderten Moralvorstellungen anspielte. Wie mochte es mit
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