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Fluch des Wolfes: Alpha & Omega 3 - Roman (German Edition)

Fluch des Wolfes: Alpha & Omega 3 - Roman (German Edition)

Titel: Fluch des Wolfes: Alpha & Omega 3 - Roman (German Edition)
Autoren: Patricia Briggs
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das sie verband.
    Ihre Finger tanzten für ihn über die Saiten, lockten ihn zu ihr, aber im Türrahmen hielt er an. Sie konnte seinen Blick fühlen, er sprach jedoch kein Wort.
    Anna wusste, dass ihr Gesicht friedlich und kühl wirkte, wann immer sie ihr Cello spielte– das Ergebnis von übermäßiger Übung unter einem Cello-Lehrer, der ihr erklärt hatte, dass sich auf die Lippen zu beißen und das Gesicht zu verziehen jedem Jurymitglied verriet, dass sie sich anstrengen musste. Ihre Gesichtszüge waren nicht gleichmäßig genug, um sie als wahre Schönheit bezeichnen zu können, aber sie war auch nicht hässlich, und heute hatte sie ein paar Make-up-Tricks eingesetzt, um ihre Sommersprossen zu verbergen und ihre Augen zu betonen.
    Annas Finger berührten die Saiten und zitterten, um den Klang des Cellos auf den längeren Tönen mit einem Vibrato zu versehen. Sie hatte ihr Spiel mit einem Teil aus Pachelbels Kanon in D-Dur begonnen, den sie grundsätzlich zum Aufwärmen spielte oder wenn sie sich noch nicht sicher war, was sie wirklich spielen wollte. Sie dachte darüber nach, zu etwas Anspruchsvollerem zu wechseln, aber Charles lenkte sie zu sehr ab. Außerdem versuchte sie ja nicht, ihn zu beeindrucken, sondern ihn zu verführen, damit er sich helfen ließ. Also brauchte Anna ein Stück, das sie spielen konnte, während ihre Gedanken bei Charles waren.
    Wenn sie Bran nicht dazu bringen konnte, ihren Gefährten nicht mehr zum Töten zu schicken, gelang es ihr vielleicht, Charles zu überzeugen, dass er sich von ihr dabei helfen ließ, die Folgen dieser Einsätze zu verarbeiten. Vielleicht würde ihnen das ein wenig Zeit erkaufen, bis sie den richtigen Baseballschläger– oder Bowlingkegel– fand, um seinem Vater ein wenig Verstand einzuprügeln.
    Sie warf ihm einen kurzen Blick zu. Sein Salish-Erbe verlieh ihm eine wunderbar dunkle Haut und ein (in ihren Augen) exotisches Gesicht, während sich das walisische Erbe seines Vaters nur subtil zeigte: in der Form seines Mundes oder der Wölbung seines Kinns. Doch es war seine Arbeit, nicht seine Herkunft, die sein Gesicht zu einer ausdruckslosen Maske erstarren ließ und seine Augen kalt und hart machte. Seine Pflichten hatten an ihm genagt, bis nichts zurückgeblieben war als Muskeln, Knochen und Anspannung.
    Sie verließ Pachelbel mit einer improvisierten Überleitung, um die Tonart von D zu G zu wechseln, dann spielte sie die Einleitung zu Bachs Cello-Suite I. Nicht dass das ein einfaches Stück gewesen wäre, aber sie hatte es in der Highschool auf einem Konzert gespielt, also beherrschte sie es noch im Schlaf. Während Annas Finger sich wie von allein bewegten, erlaubte sie sich nicht, Charles noch einmal anzusehen, egal wie sehr sie sich nach seinem Anblick verzehrte. Stattdessen starrte sie das Ölgemälde eines schlafenden Luchses an, während er sie beobachtete. Wenn sie ihn dazu bringen könnte, sich ihr zu nähern, endlich damit aufzuhören, sie vor seiner Aufgabe beschützen zu wollen…
    Und dann vermasselte sie alles.
    Sie war eine Omega-Wölfin. Das bedeutete nicht nur, dass sie die einzige Person auf dem Kontinent war, deren Wolf es ihr erlaubte, sich dem Marrok zu stellen, wenn er wütend war, sondern auch, dass sie generell eine magische Begabung besaß, wölfische Temperamente zu beruhigen. Egal ob sie das wollten oder nicht. Es fühlte sich falsch an, anderen ihren Willen aufzuzwingen, und sie versuchte, es nur dann zu tun, wenn die Situation nichts anderes zuließ. In den letzten paar Jahren hatte Anna gelernt, wann und wie sie ihre Fähigkeiten am besten einsetzte. Aber ihr Wunsch, Charles wieder glücklich zu sehen, durchbrach die Barriere ihrer hart errungenen Kontrolle, als gäbe es sie gar nicht.
    In einem Moment spielte sie mit ihrem gesamten Selbst für ihn, konzentrierte sich nur auf ihn– und im nächsten streckte sich ihre Wölfin und beruhigte Charles’ Wolf, ließ ihn einschlafen, sodass nur noch die menschliche Hälfte zurückblieb… Charles drehte sich wortlos um und ging entschlossen davon. Er, der vor nichts und niemandem floh, verließ ihr gemeinsames Haus durch die Hintertür.
    Anna legte ihren Bogen weg und stellte ihr Cello wieder auf den Ständer. Charles würde für Stunden nicht wiederkommen, vielleicht sogar einige Tage nicht. Die Musik hatte nicht gewirkt, wenn der einzige Teil, der davon angezogen wurde, Charles’ Wolf war.
    Auch Anna verließ das Haus. Der Drang, etwas zu tun, nahm in ihr so stark zu, dass sie
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