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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)
Autoren: Daniel Twardowski
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Kalifornien; Reisen durch Mexiko, Guatemala, San Salvador folgten. Mit dreißig schürfte er auf den Goldfeldern von Bendigo in Australien; vier Jahre später der kurze Goldrausch auf der Coromandel Range und ein neues, das letzte Land.
    Da er nie nennenswerte Mengen an Edelmetall fand, tat Gustav Ferdinand von Tempsky das, was er als preußischer Offizier am besten konnte: Er bildete Soldaten aus und kämpfte in zahllosen kleinen Kolonialkriegen für Kultivierung und Urbarmachung, für Fortschritt und Zivilisation. Hufschläge rissen ihn jetzt aus seiner Vergangenheit und Goethes Proserpina ; draußen war die Sonne aufgegangen, und ein Reiter kam den langen, gewundenen Passweg hinauf, der nach Thames und Auckland führte. Von Tempsky trat ohne Angst, barfuß und in Hosenträgern vor sein kleines Haus.
    »Morgen, Sir«, sagte der blutjunge Bursche mit der herzhaften Zwanglosigkeit, die kein Drill der Welt den britischen Kolonisten je austreiben würde. »Colonel McDonnell lässt Sie grüßen: Es wäre mal wieder so weit!«
    Die meisten preußischen Offiziere hätten auf eine in dieser indiskutablen Form vorgetragenen »Kriegserklärung« mit Wutausbrüchen bis hin zum Schlagfluss reagiert, aber Manu-Rau ließ den Mann einfach stehen, ging bis zur Felskante und schaute über die See hinaus. »Colonel McDonnell«  – sein Freund Tom hatte es weit gebracht seit den Waikato-Kriegen, in denen er, von
Tempsky, noch McDonnells Vorgesetzter gewesen war. Diesmal würde es also umgekehrt sein, und er überlegte kurz, ob er das aushalten könnte.
    Ein Geräusch ließ ihn herumfahren, und er sah, wie Emilia, Louis, Randall und sogar die kleine Lina, von der Ankunft des Reiters geweckt, verschlafen aus der Tür schauten. Seine Familie hatte weiß Gott Besseres verdient als die Armut, in die er sie geführt hatte. Emilia, nur im Nachthemd, barfuß und mit gelösten Haaren, kam ihm entgegen. Er liebte sie, das hatte er immer getan, seit er sie zum ersten Mal gesehen hatte; aber er liebte auch die schöne Wilde, Takiora, die in den Jahren des Buschkrieges sein bester Scout und seine Geliebte gewesen war und schon auf ihn warten würde.
    Doch es war nicht der Gedanke an Takiora, nicht das herrliche Leben im Feld und auch nicht die Aussicht auf eine gute Bezahlung, die ihn seine Entscheidung treffen ließen: Es war der Kampf selbst, auf den Manu-Rau sich freute.
    »Sagen Sie Colonel McDonnell, ich werde kommen!«

8.
    Te Kooti lag an dem fremden Strand und sah die Eidechse auf dem sandigen Boden umherhuschen, auf dem er schlief. Schlief er? Seine Augen waren offen, das Tier Wirklichkeit. Eine gezackte schwarze Linie lief wie ein breiter Blitz über den glänzenden, gelbgrünen Leib, endete in der zuckenden Schwanzspitze. Langsam kroch die Eidechse auf seinen Kopf zu, auf seinen Mund, seine Augen. Te Kooti presste die Lippen zusammen, denn Whiro , der Geist alles Bösen, nahm, wie es hieß, gern die Gestalt einer Eidechse an, drang in den Körper der Menschen ein, die die alten Götter strafen wollten, und fraß von innen heraus ihre Lebensfunktionen auf.
    Er glaubte nicht mehr an den alten Unsinn, er war getauft;
aber die Angst blieb, und die Augen konnte er nicht abwenden. Die Eidechse stand jetzt dicht vor Te Kootis Gesicht, deutlich sah er den Glanz in den bösen kleinen Augen, und da war etwas Seltsames, Furchterregendes: Immer wenn sie den Kopf bewegte, bewegte sich auch Te Kootis Kopf, und nach einer Weile begriff er, dass er in einen Spiegel sah. Er selbst war die Eidechse.
    Der Spiegel begann jetzt, sich zu bewegen wie Wellen auf einer Wasserfläche, und wurde zu einem wogenden Meer, in dem Te Kooti schwamm. Er schwamm nicht wie ein Mensch, denn er war kein Mensch, fühlte einen Schwanz auf das Wasser schlagen und sah seine eigene Zunge vor seinem Gesicht hin und her schnellen: rot, schmal, an der Spitze gespalten. Er hörte eine ferne Brandung, hob den Kopf und sah, dass es Aotearoa, die lange weiße Wolke, war, auf die er zuschwamm; das Land, das er zuletzt so gesehen hatte, langsam am Horizont versinkend, als die Pakeha ihn auf Befehl der Regierung in Wellington deportierten.
    Erst als er näher herankam, sah Te Kooti, dass er sich getäuscht hatte. Was er für die steilen, glatten Ufer eines Fjordes gehalten hatte, waren in Wirklichkeit die Beine eines Weibes, einer weißen Frau, die mit gespreizten Schenkeln in der Brandung lag. Die Wellen spülten ihn gegen den warmen Sumpf ihres Geschlechts, seine Zunge stieß vor,
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