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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)
Autoren: Daniel Twardowski
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seine Zähne packten ihr Fleisch, aber sie rührte sich nicht. Te Kooti wand sich, drehte sich wie eine Schlange in ihren dunklen Leib, fühlte, wie sie seinen Kopf, seinen Körper umschloss. Irgendwann stieß er auf ihre Gebärmutter und begann, gierig zu fressen.
    Dann sah er die Flamme, ein wunderbares weißes Licht. Er kroch darauf zu, hob die Hand und durchstieß die Flamme. Sie brannte nicht. Flackerte, leuchtete heller als alle Feuer, die er in seinem Leben gesehen hatte, aber sie brannte nicht. Da wusste er, dass er nicht mehr in dieser Welt, sondern in der Taha wairua war, wie die Maori das Universum des Geistes nennen. Dann traf ihn etwas.
    »Aufstehen, du faules schwarzes Aas!«, brüllte Hauptsergeant Michael Hartnett, und der Speichel tropfte durch seine fauligen Zähne. Noch einmal trat er mit seinem schweren Stiefel in Te Kootis Seite, und der große Maorikrieger kam zu sich, als wäre er weit fort gewesen.
    Er fühlte sich sehr schwach, hatte Fieber, aber er wusste jetzt wieder, wo er war. Er lag an einem Strand der Insel Wharekauri , die die Weißen Chatham nannten. In der Bucht von Waitangi, wo man ihn gemeinsam mit fast dreihundert anderen Deportierten, angeblichen und tatsächlichen Hauhau -Rebellen, ausgeschifft hatte; Männern, Frauen und Kindern, für die die Kolonialregierung noch nicht einmal Hütten errichtet hatte. Jenseits des Strands, hinter einer niedrigen Hügelkette im Landesinneren, erklang ein unheimliches Geräusch, das sie nun für den Rest ihres Lebens hören sollten: die Schreie von einigen Millionen erwachender Seevögel, die in der riesigen Lagune von Te Whanga ihre Fischgründe hatten.
    Te Kooti erhob sich schwankend und fühlte dabei, dass das Fieber tief in ihm steckte. Er war in einer fremden Welt, fünfhundert Meilen entfernt von seiner Heimat Aotearoa, das die Weißen Neuseeland nannten.

9.
    Das Rennen war gelaufen. Die letzten Nachrichten, am frühen Morgen per Telegraf in New Madrid eingetroffen, besagten, dass die Shotwell Memphis gegen zweiundzwanzig Uhr verlassen hatte, während die Eclipse erst nach Mitternacht eingetroffen war.
    Zwar war die Nacht stockfinster gewesen, der Mond versteckt hinter den dichten Nebeln, den die hierliegenden Wälder in der schwülen sommerlichen Finsternis zuverlässig ausatmeten. Zwar war die Strecke zwischen Memphis und New Madrid durch zahllose Inseln und die daran hängenden Untiefen, Sandbänke, Riffe die am meisten
gefürchtete auf dem ganzen Fluss. Zwar hatte die Shotwell deshalb sicherlich ihre Geschwindigkeit gedrosselt, aber dennoch war Major John W. Cannon an diesem herrlichen Morgen sicher, seinen Nachbarn, Freund und ewigen Rivalen Major Thomas P. Knox wieder einmal ausgestochen zu haben.
    Sie wetteten nie um viel Geld. Gelegentlich um einen Nigger, wenn es die Sache wert war; ja, sie hatten eines Tages lachend festgestellt, dass ein großer schwarzer Dummkopf namens Ramses schon zweimal zwischen ihnen hin- und hergegangen war wie ein Wanderpokal. Meist aber ging es in den Wetten zwischen Major Cannon und Major Knox  – beide hatten nie einen militärischen Rang bekleidet und trugen ihre Ehrentitel nur als zahlende Mitglieder der Kentucky-Miliz  – lediglich um die Ehre, den »richtigen Riecher« zu haben.
    Den hatte in der Mehrzahl der Fälle Major Cannon gehabt: Seine Plantage war größer, seine Ernten besser, seine Sklaven zahlreicher. Auch in Bezug auf Söhne lag er im Rennen des Lebens klar, nämlich mit sieben zu vier, vorn  – aber nur, weil Henrietta Petulia Knox, die große Liebe seiner Jugend, seinem in diesem schmerzlichen Fall siegreichen Rivalen Tom in den ersten Jahren nur Mädchen geboren hatte.
    Gegen zehn Uhr dreißig bestieg der gesamte Cannon-Clan Kutschen und Wagen, um auf Sassaf ras Ridge die Ankunft der Dampfer mit einem Siegespicknick zu feiern. Dort traf etwa eine Stunde später auch die fast ebenso große Familie Knox ein, deren Patriarch über die Vorkommnisse auf dem Fluss durch den Telegrafen natürlich ebenso gut unterrichtet war wie sein Konkurrent.
    »Nun, alter Knabe, wieder mal auf dem falschen Dampfer gewesen, wie? Was?«, begrüßte John Cannon mit einem jovialen Grinsen seinen Nachbarn, aber dann stockte ihm der Atem, denn Rebecca Olivia Knox, die älteste Tochter des Freundes, sprang leichtfüßig noch vor ihrem vergrämten Vater aus dem vordersten Wagen.
    »Musst du Papa immer so ärgern, Onkel John?!«, sagte sie mit einem halb spöttischen, halb tadelnden Gesichtsausdruck,
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