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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)
Autoren: Daniel Twardowski
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lange dauern. Beides wusste Titokowaru sehr gut; und mit jedem Tag, den er standhielt, den dieser furchtbare Nagel  – Tauranga Ika  – länger im Fleisch der Pakeha, dem Kern ihres Siedlungsgebiets steckte, würde der politische Druck auf Tawhiao wachsen, seinen Brüdern im Süden zu Hilfe zu kommen.
    Erst als er tausendachthundert Mann beisammenhatte, dachte Whitmore auch nur an eine Belagerung. Vielleicht würden Mineure einen Teil des Problems lösen können, aber es gab in den neuseeländischen Streitkräften keine entsprechend erfahrenen Leute, also versuchten die Pakeha, sich durch eigene Grabensysteme zunächst einmal näher an die Festung heranzuarbeiten. Am Abend des 2. Februar 1869 waren einige Einheiten nahe genug, um sich zumindest rufend mit den Maoriverteidigern im Innern zu verständigen.
    Die Soldaten wussten selbstverständlich, was für ein Blutbad sie am nächsten Morgen bei ihrem Sturmlauf erwartete, und um sich Mut zu machen, sangen sie Kriegslieder wie etwa »Marching through Georgia«.
    Die Verteidiger applaudierten ihnen und verlangten nach Zugaben. Einer rief: »Kommt näher, Pakeha, denn wir wollen euch fressen! Die Dicken nach vorn! Die Dicken nach vorn!« Alle lachten, aber den Weißen sträubten sich die Haare, als kurz darauf einige Salven die furchtbare Feuerkraft der Palisade eindrucksvoll unter Beweis stellten. Wer sollte, um Himmels willen, als Erster aus seinem Graben springen und in dieses Feuer laufen? Vereinzelte Schüsse der Verteidiger steigerten sich gegen
drei Uhr morgens noch einmal zu einem Crescendo, dem eine tödliche Stille folgte.
    Grau und kalt kroch der Morgen aus den Wäldern im Osten, und noch immer kein Laut, keine Bewegung, auf keiner Seite. Ein Konstabler namens Ben Biddle hielt das Warten irgendwann nicht mehr aus, steckte seine Mütze auf den Lauf seines Gewehrs und schwenkte beides über dem Graben. Nichts. Er hatte noch in der Nacht ein kleines Gebüsch entdeckt, nahe der Stelle, an der er lag, und ehe noch der Befehl dazu kam, sprang er aus seinem Loch, lief hinüber und warf sich hinter dieser jämmerlichen Deckung auf den Bauch. Kein Schuss fiel.
    Ein Kamerad namens Black folgte Biddle, und die ganze Armee hielt den Atem an, als die beiden Männer nach einer Weile aufsprangen und auf die Palisade zurannten. Sie erreichten sie unbehelligt und verharrten erneut, die Gewehre abwechselnd nach oben und auf beide Seiten gerichtet. Einige der Pakeha hatten schon bei Te Ngutu und Moturoa gegen Titokowaru gekämpft und erwarteten in jeder Sekunde das Losbrechen einer neuen, unerhörten Teufelei. Aber nichts geschah.
    Die beiden todesmutigen Männer verständigten sich mit Blicken und erkletterten dann mit umgehängten Gewehren die zweieinhalb Meter hohe Palisade, wobei sie die Schießscharten als Tritthilfen nutzten. Sie fanden den Hauptschützengraben, der rund um die Festung lief, leer und bestiegen, immer noch unruhig, sich gegenseitig nach allen Seiten sichernd, den Wall dahinter und die auf ihm errichtete zweite Palisade. Erst danach sahen sie die eigentliche Festungslandschaft im Innern mit ihren gewaltigen Erdaufschüttungen unter sich  – aber nicht einen Verteidiger.
    Nur ein einsamer alter Hund lief schwanzwedelnd auf die schwer bewaffneten Ankömmlinge zu. Tauranga Ika war leer.

161.
    Der neue Mann kam mit einer Empfehlung von Doktor Lemuel Willard, datiert auf den Februar 1856, und man sah dem Papier die vier Jahre an, die es im Reisebündel des Mannes verbracht haben musste.
    »Warum kommen Sie damit erst jetzt, Mr. Williams? « , fragte der Verwalter misstrauisch, denn es hatte sich inzwischen herumgesprochen, dass Doktor Willard spurlos verschwunden war.
    »Ich war lange nicht in der Gegend, Sir«, antwortete Benjamin Williams. »Bin damals erst rauf in den Norden gegangen. Aber die Fabrikarbeit ist nichts für mich. Brauche frische Luft, wissen Sie.«
    Der Verwalter der Bonneterre-Plantage fasste den Bewerber noch einmal scharf ins Auge: die hagere Gestalt, die mühsam sauber gebürstete Kleidung, die schweren, verdreckten Stiefel, die mehr als einen Fußmarsch hinter sich hatten, und das merkwürdig abgezehrte Gesicht, den kurzen, dunklen Bart, der Wangen und Hals bis weit in den Kragen hinein bedeckte. Ben Williams hatte offenbar schwere Zeiten durchgemacht.
    »Nun, frische Luft können Sie bei uns reichlich bekommen«, sagte der Verwalter. »Außerdem fünf Dollar die Woche und Kost und Logis in der Aufseherbaracke. Und treiben Sie
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