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Fluch der Hestande

Fluch der Hestande

Titel: Fluch der Hestande
Autoren: Hugh Walker
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ihrem Körper, die die Kruuks ihr beigebracht hatten. Blut tropfte aus ihnen und sammelte sich in einem silbernen Kelch.
    Mythor schrie gequält auf. Furcht ließ ihn zittern und heulen wie einen kleinen Jungen, der herausgefunden hatte, daß die Nacht voller Geister war.
    Er tastete blind um sich, um Halt zu finden, doch überall griffen seine Hände ins Leere. Er fiel und schlug wild um sich.
    Er fiel nach oben in die gewaltige Krone eines Baumes. Es war Raegeseders Traum, und Mythor überkam ein großes Glücksgefühl, daß er dies noch einmal sehen durfte. Aber Raegeseders Traum endete nicht. Er fiel höher und höher, bis die riesigen Bäume winzig unter ihm waren. Dann sah er in weiter Ferne einen dunklen Horizont, eine allesverschlingende schwarze Barriere, die vom Erdboden bis zu den Sternen reichte. Ohne daß es ihm jemand zu erklären brauchte, wußte Mythor, daß dies die Finsternis war.
    Während er darauf starrte, begann sie sich zu bewegen. Sie wogte wie der Nebel und breitete sich aus. Die grüne märchenhafte, sonnenlichtüberflutete Welt unter ihm verschwand Schritt für Schritt unter der Schwärze.
    Mythor schrie und wütete in seiner Hilflosigkeit und Furcht, als die Schwärze nach ihm griff. Ihre rauchigen Ausläufer waren kalt wie Eis, nein, kälter, denn sie ließen das Mark in den Knochen gefrieren. Es war eine unirdische Kälte, die das warme Leben haßte.
    Aber sie lockte den Verstand mit einer ungeahnten Freiheit, mit der Regellosigkeit und Grenzenlosigkeit und Zeitlosigkeit des Chaos.
    Er spürte, wie sein Körper sich aufzulösen begann. In seiner Panik schlug er um sich und versuchte Halt zu finden in der Wirklichkeit, die irgendwo um ihn sein mußte.
    Er fand sich schreiend und tobend im Garten vor Hestandes Pavillon wieder. Sein Fleisch brannte wie Feuer, seine Knochen waren Dolche, die ihn innen durchbohrten, sein Verstand war ein verwundetes gefangenes Tier, das durch panikerfüllte Augen hinausstarrte in die nebelverhangene Wirklichkeit.
    Er war gerade genug bei Sinnen, um Fryll zu erkennen, der mit weit aufgerissenen Augen in einiger Entfernung stand. Raegeseder war nur ein vager Schatten neben ihm.
    »Es ist geschafft, Raegeseder«, rief Fryll. Furcht und Entsetzen schwanden aus seinen Augen. Er hüpfte vor Begeisterung von einem Bein auf das andere. »Du hast ihn zurückgeholt! Mythor… Mythor…!«
    Aber Mythor stieß nur einen Schrei aus. Für ihn bedeutete diese Wirklichkeit nur die Qualen, die er am ganzen Körper litt. Er wollte ihr und den Qualen entfliehen. Er war nicht mehr ganz er selbst. Er wußte nichts mehr von Freunden und Plänen und Träumen. Er verstand nur, daß dort der Feind stand, der ihn in diese Qual zurückgeholt hatte.
    Mit einem wütenden Knurren, das nicht mehr ganz menschlich klang, kam er auf die Beine. Er fletschte die Zähne, krümmte die Finger zu Klauen und sammelte Kraft für den Sprung zum Angriff.
    Aber während er sein Gewicht auf die Hinterbeine verlagerte, fühlte er die Qualen schwinden und diese Wirklichkeit mit ihnen.
    Es begann erneut.
    Diesmal wurde er nicht in die Welt hinausgeschleudert. Diesmal kroch er in sich selbst hinein, in die dunklen Windungen seines Schädels. Er empfand keine Furcht. Alles war vertraut.
    Er passierte Erinnerungen, als ob sie wirklich gegenwärtig wären.
    Es waren Erinnerungen der letzten Tage, durch die er nun rückwärts wanderte – die mühevolle Arbeit an den Werfern; die Baumhäuser der Schrate; Beerenfeuer; Ilfas Enthüllung am See und der Überfall der Kruuks; ihre Wanderschaft über die nebelverhangene Steinwüste; eine dunkle Kammer in den Katakomben und der tote Körper der Hexe; das Erwachen!
    Da waren flüchtige Bilder einer Frau von kalter Schönheit mit bohrenden Blicken und einem seltsamen Gewand, das wie aus Spinnenbeinen gewebt schien.
    Er wußte, daß sie Yorne hieß und eine Zauberin war – und daß sie es liebte, ihn zu quälen.
    Jenseits dieser flüchtigen Bilder stürzte Mythor in die bodenlose Leere seines Geistes, in die er sich bewußt nie gewagt hatte.
    Es war ein schrecklicher Fall, bei dem alle Bande zu seinem Ich zerrissen. Als er endete, wußte er, daß er tot war.
    Aber es war nur eine uralte Erinnerung an einen längst vergangenen Tod. Da war er unter den Klingen eines Gegners gefallen, der vergessen war – ein blutiges Ende für ein kämpferisches Leben.
    Das Gesicht einer Frau weckte Erinnerungen an eine glühende Leidenschaft und an zwei Söhne, die an seiner Seite
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