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Fluch der Hestande

Fluch der Hestande

Titel: Fluch der Hestande
Autoren: Hugh Walker
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sein können.
    Oben im Eingang lagen Teile eines weiteren Skeletts. Mythor betrachtete es stumm. Ein kostbarer Dolch hing zwischen den bleichen Rippen.
    Ein drittes Skelett lag dicht daneben mit Resten eines Ledergeflechtes um die Hüften und einem kostbaren Schwert an der Seite.
    Ein schwerer Duft von weißen, glockenförmigen Blüten, die an dünnen Ranken zwischen dem Efeu wuchsen, schwebte über diesem vergangenen Tod und ließ Mythor grübelnd innehalten.
    Der Schrat schien recht zu haben. Eine bedrückende Ahnung von Gefahr und Verderben umgab den Ort, von dem eine dunkle Schönheit ausging. Er empfand jedoch kein Grauen, sondern seltsamerweise fühlte er sich hingezogen, so als sehnte er sich nach den Dingen jenseits des Lebens.
    Er trat in das halbdunkle Innere. Selbst der steinerne Boden war efeuverwachsen. Eine verwunderliche Stille erfüllte den Ort, ja den ganzen Garten, als wären Wind und Tiere verstummt in Erwartung eines Ereignisses, von dem sie wußten.
    Mythor fühlte Furcht. Da waren Augenblicke, da vermeinte er zu träumen, so unwirklich war alles. Doch der Duft der Blüten und das aufgeregte Schlagen seines Herzens holten ihn immer wieder zurück in die Wirklichkeit.
    Die schimmernde Marmorskulptur einer Frau ragte in der Mitte des Pavillons auf. Wer sie geschaffen hatte, war sich ihrer ganzen Schönheit bewußt gewesen. Ein Magier mußte es gewesen, oder ein Gott, sicher kein einfacher Mann mit einem Hammer und einem Meißel. Haltung und Form waren von einer fast beklemmenden Vollkommenheit.
    Die Frau war eine Aegyr, wie jene, die Mythor auf den Säulen gesehen hatte. Sie trug ein fließendes Gewand, das unter ihren Brüsten begann und bis zum Boden fiel, für immer festgehalten in weißem Stein. Die üppigen Brüste waren unbedeckt. Ihr Haar war aufgesteckt wie zu einer Krone.
    Sie stand vorgebeugt und hielt mit beiden Händen einen silbernen Kelch vor ihrer Brust. Als wäre sie mitten in der Bewegung erstarrt und durch einen Fluch zu Stein geworden!
    Mythor trat zu ihr. Er bückte sich ein wenig, um ihr Gesicht besser zu sehen. Es war erstarrtes Leben, gefrorene Sinnlichkeit, verstummte, versteinerte Schönheit.
    Während er sie wie verzaubert betrachtete, schimmerte etwas in den marmornen Augen und fiel funkelnd in den Kelch.
    Tränen!
    Während er noch erstarrt stand, fielen weitere – in immer rascherer Folge.
    Er beugte sich über den Kelch und sah die klare Flüssigkeit in der Mitte des Gefäßes. Sie berührte den mit Staub bedeckten Boden nicht. Es sah aus, als schwebte sie – oder befände sich in einem anderen, unsichtbaren Kelch.
    Als Mythor nach dem Kelch greifen wollte, hielt ihn eine vertraute Stimme zurück, und er war erleichtert darüber.
    »Hör auf die Worte eines Freundes, Mythor«, sagte Fryll vom Eingang her. »Laß die dunklen Geheimnisse ruhen, die in diesem Kelch sein mögen.«
    Mythor ließ den Arm sinken und schüttelte benommen den Kopf. Er wandte sich um und fühlte sich plötzlich frei.
    »Es könnten große Geheimnisse sein«, murmelte er, mehr zu sich, als zu Fryll.
    »Aegyr-Geheimnisse. Nicht für dich oder mich bestimmt…«
    »Woher willst du es wissen? Hast du je einen gesehen, der davon trank?«
    Der Schrat schüttelte verneinend den Kopf, aber sein Blick wanderte zu den Toten ringsum.
    »Hatten sie eine Sehnsucht nach dem Tod?« fragte Mythor.
    »Wer hat sie nicht dann und wann? Wer vermag das zu sagen?«
    »War es nicht dein Plan, daß ich hier meine Erinnerungen suchen sollte?«
    »Da warst du noch nicht mein Freund.«
    Der Schrat hätte kein überzeugenderes Argument vorbringen können, um Mythor aus seiner Unentschlossenheit aufzurütteln.
    »Jetzt bin ich es?«
    »Jetzt bist du es.«
    »Ich bin keiner, der eine Warnung leicht in den Wind schlägt… Nicht wenn sie von einem Freund kommt, und gar von einem, der soviel von Magie versteht wie du.«
    Er lächelte, als er sah, wie Fryll erleichtert von einem Bein auf das andere hüpfte. Raegeseder stand schattenhaft hinter ihm und sah stumm auf die Statue.
    Mythor fiel auf, daß die Tränen versiegt waren.
    »Sie hat aufgehört zu weinen.«
    »Ich glaube, sie ist wie ein Brunnen… nur daß es ein anderer Durst ist, den sie stillt.«
    Als sie das Gartenhaus verließen, sagte Mythor: »Ich glaube, daß ich wiederkommen werde.«
    »So bist du ihr schon verfallen«, stellte Fryll traurig fest.

9.
    Sie aßen, was Fryll gesammelt hatte: einen Arm voll faustgroßer, orangefarbener Früchte, deren Fleisch
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