Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fluch der 100 Pforten

Fluch der 100 Pforten

Titel: Fluch der 100 Pforten
Autoren: N Wilson
Vom Netzwerk:
Laufen
streichelte Henry mit seiner freien Hand über die Baumstämme. Bei diesem Licht und in diesem Moment hatte er das Gefühl, mit ihnen sprechen zu können, wenn er es nur versuchte. Und wenn er ihre Sprache gesprochen hätte.
    Im kleinen Elfen-Korridor des Berges warteten Henry und Henrietta voller Ungeduld, während Frank den Durchgang bereitete. Kurz darauf befanden sie sich wieder in den oberen Verästelungen des Zentralbergs.
    Die Flure waren gleißend hell und ausgestorben. Nirgends war ein Wächter zu sehen. Fast alle Türen standen offen und gaben den Blick auf ungemachte Betten und stehen gelassenes Essen frei. Hier und da hörte man Kinderstimmen.
    Während sie liefen, fing Henry an zu lachen. Wie viele Elfen hatte er wohl ausgeschickt? Dann befiel ihn Sorge. Hatte es etwas genützt? Hatten sie etwas ausrichten können? Oder hatten sie sich auf die Seite der Zauberer geschlagen? Wenn er ihnen zu viel Angst eingejagt hatte, war das durchaus möglich.
    Er überlegte, wo sich die Mitglieder des Komitees aufhalten mochten. Zu Hilfe waren sie sicher nicht geeilt – aber wahrscheinlich hatten sie sich woandershin verzogen. Irgendwohin, weit weg!
    Frank, der nun die Treppe in der Haupthalle hinunterstürmte, war Henry nur wenige Schritte voraus. Henry atmete heftig, fühlte aber keine Erschöpfung. Er hatte ja den Pfeil, den alten Talisman in seiner Hand, und der verlieh ihm Kraft.
    »Dass das Licht sein soll – das kann ich gar nicht fassen«, meinte Henrietta, als die Dunkelheit sie umgab. Und Henry lachte wieder, sagte aber nichts.

    Die Schleusenkammer, die sie für ihre Rückkehr brauchten, war leer.
    Mit zusammengekniffenen Augen begaben sie sich ohne zu zögern durch die Schleuse.
    Im Korridor saßen zwei Elfen. Sie hatten die Arme verschränkt.
    Als sie Henry sahen, sprangen sie auf.
    »Warum seid ihr nicht bei der Mauer?«, herrschte Henry sie an. »Wie heißt ihr?«
    Daraufhin rannten sie noch vor den anderen aus dem Korridor.
    Henry verlangsamte seinen Schritt, als er in das Gestrüpp und die Dunkelheit des Unwetters hinaustrat.
    Er konnte kaum etwas sehen. Außerdem hatte er ganz vergessen, dass es geregnet hatte. Und der Wind war auch heftiger geworden. Blitze zuckten durch die Wolken, doch wo sie einschlugen, konnte er nicht erkennen. Sie gingen auf der anderen Seite der Stadt nieder.
    Gemeinsam schlugen sich Henry und Henrietta durch den Matsch und das Unterholz, während Frank schon vorauslief zur Mauer und zum Stadttor.
    Das Tor stand offen.
    Die Wachen waren verschwunden.
    Henry holte tief Luft und sah über die Straßen, die vor ihnen lagen. Sie mussten noch durch die ganze Stadt.
     
    Frank Willis suchte seine Brüder. Jenseits des Flusses stand die Stadt in Flammen.
    Caleb und Mordechai hatten die Straße verteidigt, während
Hunderte Familien über die Brücke geflohen waren. Selbst die Elfen hatten sich zurückschlagen lassen. Sie versteckten sich wahrscheinlich in ebenso großer Anzahl in den Gassen auf der anderen Seite des Flusses wie sich dort Bogenschützen verschanzten.
    Das Letzte, was Frank von seinen Brüdern gesehen hatte, war Mordechai, der auf die Knie gefallen war und Blitze auf sich gelenkt hatte. Ihm war es zu verdanken, dass die Brücke noch stand.
    Frank kauerte hinter einem Pfeiler im Mittelteil der Brücke. Auf der gegenüberliegenden Seite lag Sergeant Simmons auf dem Boden; nur bewusstlos, wie Frank hoffte. Aber von Zeke, Richard und Henry fehlte jegliche Spur.
    Als die Elfen aufgetaucht waren, hatte es zunächst so ausgesehen, als sollte das Blatt sich wenden. Sie hatten sogar die Mauer eine Weile verteidigen können und mit ihr die gesamte Bresche.
    Aber dann war Darius wiederaufgetaucht. Der riesenhafte Zauberer, der unbeweglich vor ihnen stand, als bestehe er selbst aus dem Stein unter seinen Füßen. Kein Pfeil, kein Elf, kein einziger Angriff Mordechais konnte ihm etwas anhaben und der Wind, den er wehen ließ, hatte das Feuer durch die gesamte Stadt getrieben. Mordechai hatte nur verhindern können, dass es den Fluss überquerte.
    Frank hatte einen Bogen und einen Köcher voller Pfeile, die er aufgesammelt hatte. Bislang hatte er sie noch nicht zum Einsatz gebracht.
    In seinem Gewehr befand sich eine letzte Kugel. Es wurde wirklich Zeit, dass er seine Brüder fand.

    Er blickte über die Brücke und über die Stadt und das Feuer. Und dann begann er zu summen. Eine ganz einfache Melodie, einen Zauberreim aus einem Kriegslied, das er noch aus seiner
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher