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Florian der Geisterseher

Florian der Geisterseher

Titel: Florian der Geisterseher
Autoren: Oliver Hassencamp
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Nun schauten sie wieder wie zu Anfang: ratlos und ärgerlich. Florian verließ das Zimmer und zur Sicherheit auch das Haus.
    Der Abend verlief den Umständen entsprechend. Aber wenn man an etwas glaubt, dann muß man auch dazu stehen, sagte sich Florian und blieb stur. Ob der Vater schimpfte oder die Mutter bettelte oder umgekehrt, oder ob sie ihn beide in die Zange nahmen, wie er denn Tante Theklas „Seriosität“ beweisen wolle, auf alles, was sie sagten und fragten, hatte er nur eine Antwort: „Morgen!“
    Um halb neun ging er in sein Zimmer, schüttelte sich wie ein nasser Hund, streckte sich, gähnte, ging ins Bett und konzentrierte sich auf Agathe. Darüber schlief er ein.
    In der Klasse war etwas anders. Jetzt, wo er darauf achtete, merkte Florian das sofort. Es war die Folge seiner gestrigen Bemerkung vor Hempels Haus.
    Florian hatte auf Uwe enorm sicher gewirkt, so, als wisse er etwas, das die andern noch nicht wußten. Das hatte Uwe allen erzählt. Jetzt waren sie neugierig und suchten wieder Kontakt mit ihm. Die Schlappe, für die er nichts konnte, war ausgestanden.
    Florian blieb indes wortkarg, was ihn noch interessanter machte. Heute hatte er wirklich anderes im Kopf: Wie würde sich Lehrer Hempel verhalten? Da die Klasse keine Mathematikstunde bei ihm hatte, war er auf eine zufällige Begegnung angewiesen. Oder der Lehrer kam von sich aus zu ihm. Doch das tat er nicht. In der großen Pause sah Florian das Bleichgesicht und schlängelte sich zu ihm durch, um dem Zufall etwas nachzuhelfen. Lehrer Hempel sah ihn kommen, sah ihn an, wandte sich ab und ging weg. Ohne ein Wort.
    Sollte sich Tante Thekla doch geirrt haben? Oder hatte sie einen anderen Lehrer gemeint?
    „Was ist jetzt?“ fragte der Vater beim Mittagessen. „Du wolltest uns heute doch etwas erklären!“
    „Der Tag ist ja noch nicht rum!“ erwiderte Florian und bemühte sich, möglichst gelassen dreinzuschauen. Dabei konnte er kaum stillsitzen. Zehn Minuten später fuhr er mit dem Fahrrad langsam an Lehrer Hempels Wohnung vorbei.
    Warum gehe ich eigentlich nicht rauf und frage ihn, was der Arzt gesagt hat? überlegte er. Schließlich hab ich ihn darauf gebracht, sich untersuchen zu lassen.
    Er schloß das Fahrrad ab und nahm wieder die Treppe. Diesmal jedoch gemächlicher. Er konzentrierte sich nämlich: „Lehrer Hempel soll rauskommen! Lehrer Hempel soll rauskommen!“ Den Satz vor sich hinleiernd, kam Florian bis an die Tür zum Dachboden. Auf dem Rückweg mußte er die Namensschilder lesen, weil er nicht wußte, im wievielten Stockwerk er sich befand.
    Da wurde eine Tür geöffnet, Frau Hempel kam heraus. „Da bist du ja!“ sagte sie überhaupt nicht überrascht. „Halt uns die Daumen! Mein Mann ist grade in der Klinik zur Untersuchung. Ich bin dir ja so dankbar.“
    Wie ein Fahrstuhl senkte sich das Gewicht von Florians Herz. „Was... was hat der Doktor denn gesagt?“ stammelte er.
    „Er war nicht sehr begeistert“, antwortete sie, „und hat sofort eine gründliche Untersuchung angeordnet. In der Klinik, mit allen Geräten.“
    Frau Hempel wollte zum Einkaufen weg, und da Florian jetzt vor lauter Überschwang nicht stillsitzen konnte, bot er sich an, sie zu begleiten.
    „Das ist eine sehr gute Idee!“ sagte sie. „Allein denke ich immer nur an die Untersuchung. Zu zweit können wir uns ablenken und auch mehr besorgen.“
    Unterwegs mußte Florian ihr von Tante Thekla erzählen, was er mit größter Ausführlichkeit auch tat. Als sie beladen im Lift zu der Wohnung hinauffuhren, war er gerade bei Onkel Charlie in seiner Eigenschaft als Kontrollgeist angelangt.
    „Die Zeit ist an den Körper gebunden“, berichtete er. „Wenn man keinen Körper mehr hat, gibt es auch keine Zeit mehr. Man sieht dann voraus und zurück, ganz selbstverständlich.“ Frau Hempel schloß die Tür auf. „Rüdiger!“ rief sie und schaute in die Zimmer.
    „Er ist noch nicht da“, vermutete Florian.
    Sie ließ ihn die Tüten in der Küche abstellen und bemühte sich, ruhig zu bleiben. „Das war sehr interessant, und du warst mir eine große Hilfe. Aber jetzt geh nach Hause.“
    Florian zögerte. „Können... könnten Sie mich anrufen, wenn er kommt. Für mich hängt auch viel davon ab. Es ist nämlich eine unerhörte Unglaublichkeit passiert. Ein Onkel von mir will Madame Thekla anzeigen.“
    Zum erstenmal gebrauchte er diese Wendung.
    Frau Hempel nickte mit besorgter Miene. „Jaja. Selbstverständlich. Wir werden dich nicht im Stich
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