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Florian der Geisterseher

Florian der Geisterseher

Titel: Florian der Geisterseher
Autoren: Oliver Hassencamp
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lassen. Geh jetzt. Und noch mal vielen Dank.“
    Gut, daß mir das eingefallen ist! Sicher sitzt Onkel Bruno schon bei uns und wartet, kombinierte Florian. Die Anzeige darf auf keinen Fall stattfinden. Wenn Tante sich jetzt auf mich konzentriert, wird sie sagen: Du verteidigst mich wieder einmal, Flori !
    Er hatte sich nicht geirrt. Onkel Bruno saß mit dem Vater im Wohnzimmer.
    Auf die erwartete Frage, was nun sei, antwortete Florian: „Ich erwarte noch einen Anruf.“
    Vater und Onkel machten nicht ihre intelligentesten Gesichter. Sie schienen aber beeindruckt und stellten keine weiteren Fragen.
    Florian schaute auf die Uhr und zügelte seine Spannung, indem er sich wieder konzentrierte: Hempel soll anrufen! Hempel soll anrufen! Hempel soll anrufen...!
    Da klingelte das Telefon. Florian sprang auf. „Ja“, rief er atemlos in den Hörer. Dann, nach einer Pause: „Vater, für dich. Frau Treitschke- Zwiebenich .“
    Vater redete lang, und nicht nur Florian wurde ungeduldig.
    „Was wollte sie denn schon wieder?“ fragte die Mutter, als er endlich auflegte.
    „Es ist wegen einer kulturellen Veranstaltung“, antwortete der Vater.
    Nun blieb die Mutter im Zimmer und war beim nächsten Anruf die Schnellste. „Ja?“ rief sie in den Hörer, und während einer langen Pause drückte ihr Gesicht die verschiedensten Stimmungen aus: Sorge, Angst, Überraschung, Freude. „Ich werd’s ausrichten. Und vielen Dank!“ Sie legte auf.
    „Wer war’s denn?“ wollte der Vater wissen.
    Es dauerte eine Weile, bis die Mutter sich gefaßt hatte und sich an Florian wandte: „Du hast ihnen einen unschätzbaren Dienst erwiesen, sagt er. Es gebe Dinge zwischen Himmel und Erde, die wir uns nicht erklären können, für die wir aber dankbar sein müssen, daß es sie gibt, hat er gesagt. Und daß er gegen jeden als Zeuge auftritt, der Tante Thekla verklagen will.
    „Wer hat das gesagt?“ fragte Onkel Bruno ärgerlich.
    „Dreimal darfst du raten!“ Florian grinste ihn an. „Ich habe euch ja gesagt, heute liefere ich den Beweis: Lehrer Hempel.“

Die Fahrt seines Lebens

    Zuerst hatte sich August am Telefon geziert: Madame sei überlastet, so kurzfristig gehe gar nichts. Bis Florian ihm eine Flasche Zwetschgenwasser versprach.
    „Moment, ich schau noch mal nach“, kam es aus dem Hörer, viel kräftiger als vorher. „Ja. Am Samstag um elf ging’s.“
    Florian hätte direkt mit seiner Tante reden können, doch er wollte August nicht übergehen. „Von oben kommen macht eine Sache leichter und zehn andere schwerer! — Den Satz hab ich mir mal gemerkt“, sagte er unterwegs zu Lehrer Hempel, der alles genau wissen wollte.
    „Ich bin dir jedenfalls sehr dankbar“, antwortete Hempel. „Die Ärzte meinen, ich sollte mich einer Operation unterziehen. Jetzt möchte ich natürlich wissen, wie das ausgeht. Aber so weit ist die Medizin noch nicht. Da brauche ich deine Tante. Übrigens, das habe ich auch besorgt, wie du mir gesagt hast.“ Er deutete nach hinten. Auf dem Rücksitz lag eingewickelt eine Flasche Zwetschgenwasser.
    Lehrer Hempel fuhr nach Florians Geschmack: zügig, ruhig und mit einem Gefühl für Entfernungen, Geschwindigkeit und Kurven, die das Fahren zu einem gleichsam computergesteuerten Ablauf machen, ohne ständiges Bremsen, Beschleunigen und Schalten.
    „Es ist wie Mathematik“, erklärte der Lehrer auf Florians lobende Bemerkung. „Ich rechne mit festen Größen. So gibt es einen spielerischen, ich möchte sagen musikalischen Ablauf. Dahinter bist du nur noch nicht gekommen, wenn es sich bei den Größen um Zahlen handelt.“
    „Für meine Tante gibt es überhaupt keine festen Größen mehr“, antwortete Florian. „Vor allem keine Jahreszahlen. Sie hat alles greifbar. Nahes, Fernes, Vergangenes, Zukünftiges.“ Und er erzählte von der Kristallkugel, von Onkel Charlie und von Tantes Hobby der Astralprojektion, ihrer Fähigkeit, ohne Körper zu verreisen.
    Da sich Lehrer Hempel für alles brennend interessierte, verging die Zeit, als sei sie diesmal eine besonders kleine Größe. Fünf Minuten vor elf rollten sie auf den Parkplatz. Wie immer kam August zur Begrüßung, wie immer glotzten Gäste unter den Pilzschirmen, argwöhnisch, als wolle man ihnen ihre Termine wegschnappen. Und wie immer hing an Tantes Zimmertür das Schild: Bitte nicht stören!
    Florian hatte August als erstes die eingewickelte Flasche gezeigt und versprochen, sie gleich an ihren Platz zu stellen. Lehrer Hempel wurde ohne Aufenthalt
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