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Flitterwochen

Flitterwochen

Titel: Flitterwochen
Autoren: Anne Hertz
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»Also, Frau Strelow sagte Pommern. Liegt Kolberg denn nicht in Mecklenburg-Vorpommern?«
    Jetzt lacht Jan wieder. »Nein. Kolberg heißt mittlerweile Kołobrzeg und liegt in Polen. Ist aber, ehrlich gesagt, schon seit ein paar Jahren so.«
    »Scheiße!«, entfährt es mir sehr laut.
    »Ungewöhnlich, dass Ihnen das so nahegeht«, sagt Jan. »Soweit ich weiß, wird diese Grenze von der deutschen Außenpolitik voll und ganz akzeptiert.«
    Ich sehe ihn kurz an. Er grinst, und ich gucke wieder nach vorn und sage: »Dieses Kolberg oder Kołobrzeg, oder wie auch immer das heißt, kann von mir aus sonst wo liegen. Solange ich da nicht hinfahren muss. Ich dachte, wir kriegen das hier locker in zwei, drei Stunden über die Bühne. Aber daraus wird dann wohl nichts. Scheiße, Scheiße, Scheiße!« Ich schlage mit der Hand auf das Lenkrad.
    »Okay, also, wir brauchen wahrscheinlich so ungefähr fünf Stunden. Bis wir angekommen sind, ist es dunkel – wird heute also schwierig mit unserer Seebestattung.«
    »Nein!«, rufe ich. »Das geht nicht! Ich
muss
heute zurück nach Lübeck. Mein Verlobter wartet doch auf mich, wir haben noch nicht mal gepackt, und übermorgen früh geht unser Flieger. Und der fliegt nicht nur auf die Seychellen, sondern auch in meine Zukunft. Wenn ich den verpasse, dann geht meine Welt unter. Dann kann ich Ostern nicht am Strand von La Digue heiraten. Und dann verpasse ich den Mann meines Lebens.« Ich fange an zu weinen. Plötzlich kann ich vor lauter Tränen kaum noch etwas sehen. Ich bremse, fahre auf den Seitenstreifen und halte an. Jan legt eine Hand auf meine Schulter.
    »Schh, schh, nicht weinen! Wir finden bestimmt eine Lösung. Ich habe eine Tante in der Nähe von Kolberg, da können wir sicher übernachten. Wenn wir morgen dann gleich ganz früh loslegen, könnten wir mittags schon wieder in Lübeck sein. Dann kriegen Sie Ihr Flugzeug noch.«
    Ich schniefe laut. »Und wenn nicht?«
    Jan zuckt mit den Schultern. »Also, schlimmstenfalls heiraten Sie Ihren Traummann dann ganz normal in Deutschland. Davon wird das Glück Ihrer Ehe schon nicht abhängen. Hm, was meinen Sie?«
    Ob mich Jan für völlig gaga hält, wenn ich ihm nach der Geschichte mit dem Bankraub jetzt noch erzähle, dass die Hochzeit unbedingt zur Osterzeit im Ausland stattfinden muss, weil mir das so geweissagt wurde? Dass ich nur so den Mann fürs Leben heiraten kann? Wobei – vielleicht sind Polen ja generell abergläubisch, und Jan hätte großes Verständnis für mein Problem. Ich wische mir noch einmal die Tränen von den Wangen und mustere ihn verstohlen. Nein, Jan sieht aus wie ein ganz normaler junger Mann, also kann ich ihm die Geschichte unmöglich erzählen. Nicht einmal Alexander weiß etwas davon. Dass die Sache mit den Seychellen trotzdem seine Idee war, beweist, dass die Karten nicht lügen. Hoffe ich jedenfalls.
    Jan räuspert sich. »Hallo? Haben Sie gehört, was ich gesagt habe?«
    »Äh, ja, ja. Ich hoffe, Sie haben recht.«
    »Na ja, die andere Möglichkeit ist, dass wir zurückfahren und gucken, ob sich das Missverständnis nicht auch so aufklären lässt.« Jan dreht sich um und guckt über seine Schulter. »Oma schläft gerade ein bisschen, aber wenn sie wieder wach ist, können Sie doch noch einmal mit ihr darüber sprechen. Wenn sie sich etwas ausgeruht hat, ist sie immer viel klarer im Kopf. Vielleicht werden Sie beide auch gar nicht verfolgt. Wenn es gar kein echter Bankraub war, hat die Polizei das bestimmt schon gemerkt. Ich meine, die haben doch auch Besseres zu tun.«
    Ja, das wäre schön, wenn die Besseres zu tun hätten. Mein Telefon klingelt. Alex. Jan reicht mir meine Handtasche, die ich neben die Tüte mit dem Geld gestellt habe. Diesmal finde ich das Teil sofort. Ich atme tief durch und hoffe, dass ich nicht allzu verheult klinge.
    »Hallo, Schatz! Du, ich stehe gerade in der Umkleidekabine, das passt jetzt nicht so. Ich melde mich, wenn ich auf dem Rückweg bin, okay?«
    Tiefes Einatmen. »Tine, die Polizei war eben hier.«
    Hmpf. Offenbar hat die Polizei doch nichts Besseres zu tun. »Echt? Und wieso?«
    »Tine! Verkauf mich nicht für blöd! Das kannst du dir doch wohl denken! Weil du eine Bank überfallen hast!«
    »Das ist ein Missverständnis, ich habe keine …« Weiter komme ich nicht, Alexander bellt jetzt so laut in den Hörer, dass mir fast das Ohr abfällt und Jan wahrscheinlich jedes Wort mitbekommt.
    »Du überfällst eine Bank – und nicht nur das: eine
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