Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flitterwochen

Flitterwochen

Titel: Flitterwochen
Autoren: Anne Hertz
Vom Netzwerk:
marschieren und Opa Heinzi anschließend selbst in die Ostsee zu streuen. Doch leider schüttelt Grünauge den Kopf. Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn heute mal irgendwas klappen würde.
    »Nein, ich bin Jan. Jan Majewski. Ein … äh … Freund der Familie.«
    »Ach so. Ich bin Tine Samstag und habe Frau Strelow nur ganz zufällig getroffen und …« Bevor ich mit meiner Erklärung noch weiterkomme, taucht Frau Strelow neben uns auf. Unter ihrem Arm klemmt etwas, das wie eine kleine, bauchige Vase mit Deckel aussieht. Das wird doch nicht etwa die Urne sein?
    »So, Heinzi habe ich schon mal. Dann kann es jetzt losgehen. Jan, wir fahren nach Pommern. Du kommst mit.«
    Falls der Typ jetzt überrascht sein sollte, kann er es gut verbergen, denn er verzieht keine Miene. »Gut, ich hole nur eben meine Jacke.«
    »Aber beeil dich, die Polizei ist hinter uns her.«
    Jan nickt und verschwindet. Seine Gelassenheit lässt mich vermuten, dass er im Hauptberuf Fluchtwagenfahrer ist, oder irgendwas in der Richtung. Eine Minute später steht er wieder neben mir, und tatsächlich hat er sich eine Jacke über sein schwarzes T-Shirt gezogen.
    »Okay, kann losgehen.«
    Ich seufze, gehe vor und öffne, beim Micra angekommen, die Türen. Jan hilft Oma Strelow, mitsamt den Überresten von Opa Heinzi in den Fond einzusteigen. Dann setzt er sich neben mich auf den Beifahrersitz. Ich lasse den Motor an.
    »Also, erst mal Richtung Rostock, oder?« Ich sehe Jan auffordernd an. Schließlich scheint er in den Plan von Oma Strelow ansatzweise eingeweiht zu sein.
    Er nickt. »Genau.«
    In den nächsten zehn Minuten sagt niemand ein Wort. Im Rückspiegel kann ich sehen, wie Oma gedankenverloren die Urne streichelt. Sie wirkt völlig abwesend. Ich räuspere mich, sie reagiert nicht. Okay, vielleicht eine gute Gelegenheit, diesem Jan mal etwas auf den Zahn zu fühlen.
    »Sagen Sie mal, wundern Sie sich gar nicht über unseren spontanen Ausflug?«
    Er guckt mich an und grinst. »Ach, Frau Strelow hat manchmal seltsame Ideen. Kennen Sie sie näher?«
    Ich schüttele den Kopf. »Nein. Ich bin ihr heute zum ersten Mal begegnet.«
    »Ach so. Wissen Sie, sie ist eben sehr alt und hat ab und zu solche … äh …« Er scheint nach einem Wort zu suchen. »Anfälle. Genau, sie hat manchmal Anfälle. Da darf man sich nichts bei denken. Das mit der Polizei zum Beispiel ist typisch. Frau Strelow denkt oft, dass sie verfolgt wird. Man darf dann nicht widersprechen, sonst regt sie sich furchtbar auf. Deswegen habe ich auch nichts gesagt. Besser, wir fahren einfach eine Runde mit Opa spazieren, dann beruhigt sie sich schon wieder.«
    Eine schöne Idee. Sie hat nur einen Haken.
    »Wir werden tatsächlich von der Polizei verfolgt.«
    Jan macht große Augen. »Oh! Wirklich? Warum?«
    »Frau Strelow hat eine Bank überfallen. Gewissermaßen. Sehen Sie die Plastiktüte zu Ihren Füßen?«
    Jan nickt. »Klar. Warum?«
    »Da dürften ungefähr zwanzigtausend Euro drin sein. Grob geschätzt. Es war jedenfalls ein ziemlicher Haufen.«
    Jan beugt sich vor, hebt die Tüte hoch und lugt vorsichtig hinein. »Wow! Und Sie haben ihr dabei geholfen?«
    »Ja. Äh, ich meine: Nein. Also, na ja, irgendwie schon.«
    Jan pfeift. Es klingt anerkennend. »Also, ihr beiden Mädchen habt eine Bank überfallen.«
    »Nein. Haben wir nicht. Ich jedenfalls nicht. Und Frau Strelow auch nicht. Das Geld gehört schließlich ihr. Aber es sah so aus, weil ich eine Waffe dabeihatte.«
    »Sie hatten eine Waffe dabei?«
    »Ja, aber keine echte. Nur die Spielzeugpistole von Jan-Ole.«
    »Wer ist denn Jan-Ole? Ein weiterer Komplize? Respekt, dann war das ja ein richtig großes Ding! Das hätte ich ihr gar nicht zugetraut.«
    »Haben Sie mir nicht zugehört? Es war eben
kein
großes Ding. Es war gar kein Ding. Es war ein ganz blöder Zufall. Oma Strelow kann das bestätigen. Und das wird sie auch tun, sobald wir Opa Heinzi in die Ostsee gestreut haben. Danach fahren wir nämlich flugs wieder nach Lübeck, marschieren in die nächste Polizeidienststelle, Oma macht ihre Aussage, und ich fliege auf die Seychellen.«
    Jan lacht. »Wer will denn in die Südsee, wenn er die polnische Ostsee haben kann?«
    Ich werfe ihm einen kurzen Blick zu, dann schüttle ich den Kopf. »Erstens: Die Seychellen liegen nicht in der Südsee, sondern im Indischen Ozean. Und zweitens – wieso Polen?«
    »Na, ich dachte, wir wollen nach Kolberg.«
    Langsam beschleicht mich ein ganz dummes Gefühl. Ich räuspere mich.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher