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Fliehganzleis

Fliehganzleis

Titel: Fliehganzleis
Autoren: Frederike Schmöe
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Täter ist – von Ihrer Anwesenheit im Schloss weiß?«
    Es überlief mich heiß und kalt. Die Angst, die ich so lange in Schach gehalten hatte, kroch aus sämtlichen Winkeln meines Körpers. Ich spürte, wie ich blass wurde, als stürzte alles Blut aus meinem Gesicht.
    »Mein Wagen stand vor der Tür. Starnberger Kennzeichen.«
    Nero knetete seine Lippen. In seinem Mundwinkel klebte ein Ketchup-Rest.
    »Aber ich weiß nicht, ob die Gräfin ihm von mir erzählt hat. Ich weiß ja gar nicht, wer das war, zum Teufel!«
    »Jemand, dem sie jedenfalls nicht so sehr misstraute, dass sie ihn einfach aus dem Schloss geworfen hätte.«
    »Nein. Aber sie war nervös, als sie ins Speisezimmer kam, um mir mitzuteilen, dass unser Gespräch für heute beendet wäre.«
    »Er konnte sich also denken, dass noch jemand im Schloss war. Außer seinem Opfer.«
    »Je nachdem, wie gut er die Gräfin kennt. Denn«, ich zögerte, »sie könnte durchaus noch anderswo einen Wohnsitz haben. Im Landkreis Starnberg vielleicht. Und dass sie kurz in den Speiseraum zurückging, muss nicht bedeuten, dass sie dort jemanden sitzen hatte.«
    Aber vielleicht, dachte ich, war der Angreifer nach vollbrachter Tat durch das Schloss gegeistert. Hatte in alle Zimmer geschaut, um die Besitzerin des Alfa Spider zu finden. Mich zu finden. Mir kroch Gänsehaut über den Rücken. Wie lange war der Mörder im Schloss geblieben? War er durch den Park gegangen, um nach mir zu suchen? Warum dachte ich das Wort ›Mörder‹? Larissa war noch nicht tot. Tot. Ich spürte die elektromagnetischen Wellen durch meinen Kopf jagen, sich verzweigen und verschalten, meine Denke in Brand setzen.
    Nero sah auf seine Uhr.
    »Ich muss los. Mein Seminar beginnt um 15 Uhr, und der Verkehr … «
    »Was machen Sie am Wochenende?«, fragte ich.
    »Morgen bin ich in Schweinfurt.« Nero zögerte. »Wo genau liegt Rothenstayn?«
    Ich schob ihm die Visitenkarte der Gräfin hin.
    »Die A 3 weiter Richtung Nürnberg, dann die Ausfahrt Wiesentheid und ein Stück durch die Pampa. Rothenstayn ist angeschrieben.« In einem Anflug von Wahnsinn fügte ich hinzu: »Soll ich Ihnen im Dorfhotel ein Zimmer buchen?«
    »Das«, antwortete Nero Keller mit einem ganz kleinen Lächeln, »wäre eine ausgesprochen gute Sache.« Er zeigte an seine Wange. »Sie haben Ketchup hier.«

6
    Auf der Rückfahrt hielt ich in Rothenstayn vor dem Dorfhotel Zum Goldenen Löwen. Die Nachmittagssonne brachte die Sandsteinfassade zum Leuchten, und die goldene Schrift blitzte, dass es in den Augen wehtat. An der Straße saßen Gäste an putzig dekorierten Tischen und umklammerten Bier- und Weingläser. Kein Tisch war mehr frei.
    »Tut mir leid, wir sind ausgebucht«, sagte die Dame, die aus dem Restaurant zur Rezeption geeilt kam.
    »Bis wann?« Ich hoffte, wenigstens Nero hier unterbringen zu können.
    »Das ganze Wochenende. Ab Montag könnte ich reservieren. Augenblick.« Ihr Telefon schrillte. Gehetzt nahm sie den Hörer, murmelte ein paar Worte und legte auf.
    »Ich weiß nicht, ob ich das Zimmer dann noch brauche.«
    »Sie wohnen im Schloss, nicht wahr?«
    Ich war selber ein neugieriger Mensch, aber bei anderen Menschen hielt ich Neugier für eine nervtötende Eigenschaft. Betont langsam nahm ich einen Flyer zur Hand, der die Qualitäten des Goldenen Löwen pries, und sagte:
    »Schönen Tag noch.«
    Ich hatte dem Hotel gegenüber geparkt und ging zu meinem Auto, als ein junger Typ in Regenjacke mir nachlief. Er schwitzte. Sein Kopf war komplett kahl, obwohl der Mann kaum 30 Jahre alt sein konnte.
    »Ben Berger. Von der Mainpost. Sie wohnen doch im Schloss?«
    Es ging also schon los.
    Ich stützte die Ellenbogen auf das Dach.
    »Was wollen Sie wissen?«
    »Stimmt es, dass die Gräfin einen Ghostwriter hat?«
    Ich schwieg.
    »Oder eben eine Ghostwriterin? Sind Sie ihre Ghostwriterin?«
    »…«
    »Warum sagen Sie nichts?«
    »Sie zählen fein säuberlich auf, was Sie wissen wollen. Ich überlege, worauf ich antworten kann.«
    Reporter von Provinzblättern quatschten die Leute einfach an, und die meisten sprudelten los. Entweder, weil sie sich geehrt fühlten, von den Zeitungsmenschen angehört zu werden, oder weil sie unter Druck standen. Druck brachte Menschen zum Reden. Jeder brauchte sein Ventil.
    »Sie wohnen doch im Schloss, nicht wahr? Was haben Sie von dem Überfall mitbekommen?« Er zückte einen Stift.
    »War das alles?«
    »Wie gut kennen Sie die Gräfin? Wann genau wurde sie überfallen? Wie war das, als Sie
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