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Fliehganzleis

Fliehganzleis

Titel: Fliehganzleis
Autoren: Frederike Schmöe
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Mitleid? Schützenhilfe?
    »Alles wird davon abhängen, wie die Spurenlage aussieht. Die Polizei fertigt einen Tatortbefundbericht an. Darin wird zunächst festgehalten, was nachweisbar ist. Bei solchen extremen Kopfverletzungen muss die Gräfin viel Blut verloren haben. Ist Ihnen im Schloss etwas aufgefallen?«
    »Ich habe nicht drauf geachtet. Aber die Kommissarin meinte, es gebe eine Blutspur vom Grünen Salon zur Haustür.«
    »Dann wurde sie wohl nicht am Fundort niedergeschlagen, sondern im Haus. Es könnte auch noch Blut in der Erde versickert sein, an der Stelle, wo sie schließlich lag«, fuhr Nero fort. »Ich habe beim Wetterdienst nachgefragt. Heute Nacht hat es gegen vier zu regnen begonnen, die Erde war nass, da fällt Blut nicht unbedingt gleich auf. Vor allem, wenn man damit beschäftigt ist, ein Leben zu retten.«
    »Ich habe sie in die stabile Seitenlage gedreht und bin ins Haus gerannt, um zu telefonieren, weil ich mein Handy nicht dabei hatte.«
    »Sie haben alles richtig gemacht.«
    Ich sagte nichts.
    »Wer bearbeitet den Fall?«, fragte Nero.
    »Eine Martha Gelbach und ihr Adjutant, eine komische Figur.« Mir war nicht gut. Als bräche sich der Schrecken erst jetzt Bahn, löste der Geruch aus der Restaurantküche plötzlich Übelkeit in mir aus. Dabei hatte ich einen kerngesunden Appetit. Was man mir ansah. Ein paar Kilo zu viel, aber alles saß an der richtigen Stelle. Wann immer ich an mein Gewicht dachte, bewertete ich sogleich die Proportionen. Das hatte Juliane mir beigebracht. Kindchen, wo ist das Problem, pflegte sie zu sagen, wenn ich selbstkritisch vor dem Spiegel stand. Entscheidend ist die Ausstrahlung.
    »Die kamen auf den Trichter, mich zu verdächtigen.«
    Nero zog die Augenbrauen hoch.
    »Das hätte ich auch getan«, sagte er schließlich. »Aber sie werden nicht ernsthaft annehmen, dass Sie die Gräfin niedergeschlagen haben.«
    »Warum nicht?«
    »Es fehlt ein Motiv. Sie werden suchen und nichts finden, aber vermutlich an anderer Stelle ein paar Kratzer auf dem Lack finden. Man entdeckt immer was.«
    »Werden die Beamten mich informieren?«, brachte ich heraus.
    Die Kellnerin kam und knallte zwei Teller Schnitzel mit Pommes auf den Tisch.
    »Ketchup?«
    »Gern«, sagte Nero und lächelte sie an. »Sie werden sich auf alle Fälle wieder melden. Und dann dürfte es Ihnen ja nicht schwerfallen, die Herrschaften ein bisschen auszufragen. Erkundigen Sie sich nach dem Tatablauf. Der ist entscheidend. Wenn der eindeutig feststeht, ist ein wichtiges Zwischenziel erreicht. Im Übrigen werden sich auch an der Kleidung der Gräfin Spuren finden. Man lässt sich nicht einfach so einen Knüppel über den Schädel schlagen. Menschen wollen leben! Sie wehren sich. Zu liebenswürdig«, sagte Nero zu der Bedienung, die mit einem verkniffenen Lächeln zwei abgepackte Ketchup-Portionen neben unsere Teller warf. »Außerdem wird man Handy- und Telefonverbindungen des Opfers auf Auffälligkeiten überprüfen. Hat man die Tatwaffe gefunden?«
    »Mir hat keiner was gesagt.«
    Wir machten uns über das Essen her. Der Anflug von Übelkeit war verschwunden. Ich dankte dem Herrgott für meine gesunde Grundkonstitution.
    »Wie soll die Polizei den Mann finden, der Larissa gestern besucht hat? Der wahrscheinlich der Täter ist?«, erkundigte ich mich, als ich die letzten Pommes mit den Fingern durch das Ketchup zog und verspeiste.
    »Man wird sich im Dorf umhören. Ob es jemanden gab, mit dem Larissa nicht gut stand. Ob jemand gesehen wurde, ein Fremder, den keiner kennt. Vielleicht gibt es eine Pension, sicherlich eine Wirtschaft. Wer fremd ist, muss irgendwo übernachten und essen.«
    »In Rothenstayn gibt es ein kleines Restaurant mit Fremdenzimmern.«
    »Sehen Sie.«
    »Wahrscheinlich miete ich mich für zwei, drei Tage dort ein. Ich habe keinen Nerv, allein im Schloss zu wohnen.«
    »Das halte ich für eine gute Idee.« Nero schob seinen blankgeputzten Teller weg und sah mich an. Ich wusste nie, was er wahrnahm, wenn er mich mit seinem Blick genau auf diese Art durchbohrte. Mein Gesicht, den Rest Lippenstift, den Pferdeschwanz, das Baumwollshirt in XXL? Normalerweise wählte ich Klamotten und Make-up für ein Treffen mit Nero sehr sorgfältig aus, aber heute hatte ich keinen Gedanken darauf verschwendet. Der Kälte und Stille des Schlosses entfliehend, war ich einfach losgefahren.
    »Haben Sie Anlass zu glauben, dass der Gast der Gräfin – und nehmen wir der Einfachheit halber mal an, dass er der
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