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Fliehganzleis

Fliehganzleis

Titel: Fliehganzleis
Autoren: Frederike Schmöe
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seltsam namenlos gewesen.
    »Haben Sie auch noch eine plausiblere Version?«, fragte Rotloh kalt.
    »Wie bitte?«
    »Sie sind die einzige Zeugin, die den angeblichen Besuch gehört haben will. Sie waren am Tatort. Sie haben die Verletzte gefunden, mit der Sie ein Geschäftsverhältnis haben. Und dann gehen Sie genüsslich mit der Traviata im Ohr durch den Park, während Ihre Auftraggeberin hier niedergeschlagen wird?«
    Ich traute meinen Ohren nicht.
    »Aber – warum sollte ich Larissa einen Knüppel auf den Kopf schlagen?«
    »Interessant. Einen Knüppel also?«
    »Verdammt«, mir platzte der Kragen, »Knüppel, Baseballschläger, was weiß ich!«
    »Wo haben Sie den Knüppel versteckt?«
    »Ich habe keinen Knüppel versteckt.«
    »Einen Baseballschläger?«, fragte Rotloh und sah mich unverwandt an. Der Mann hätte zum Geheimdienst gehen sollen.
    »Ich habe Larissa nichts getan. Sie ist meine Brötchengeberin. Warum sollte ich sie ausschalten wollen, mitten in einem Projekt?«
    Rotloh kratzte Dreck unter seinen Fingernägeln hervor.
    »Es ist ein kriminalistischer Erfahrungswert, dass im Business immer ein Grund zu finden ist, warum der A den B ausschaltet.«
    Der Mann hatte sie nicht mehr alle. Hilfesuchend sah ich zu Martha Gelbach. Sie betrachtete mich interessiert. Nicht unfreundlich.
    »Passen Sie mal auf«, sagte ich, mühsam meinen Zorn unterdrückend. »Ich habe dieses blöde grüne Zimmer nicht mal betreten. Habe nur reingeschaut, als Larissa mich im Schloss herumgeführt hat. Und ich habe noch nie auf einen Menschen eingeschlagen!«
    Ich wollte noch eine Menge mehr sagen, spürte aber, dass ich damit kein Land gewinnen würde.
    »Schon gut. Sie stehen nicht unter Verdacht«, sagte Martha Gelbach und bat mich um meine Handynummer und die Heimatadresse. Dann drückte sie mir ihre Visitenkarte in die Hand.
    »Gehört Ihnen der rote Alfa Spider vor der Tür?«
    Ich nickte.
    »Toller Wagen. Privat fahre ich auch einen. Einen neuen.« Sie lächelte mich an. »Entspannen Sie sich ein wenig. Aber bleiben Sie bitte noch vor Ort. Wir melden uns bei Ihnen.«
    »Kommt sie durch?«
    Meine Angst spiegelte sich in den wasserblauen Augen der Kommissarin.
    »Wir haben noch keine Nachricht. Die Gräfin wurde in die Neurochirurgische Poliklinik nach Würzburg gebracht. Sie wird rund um die Uhr von uns bewacht.«
    Wir sprachen alle von ›der Gräfin‹, als wären wir ihr Hofstaat.
    »Konnten Sie mit ihr reden?«, fragte ich.
    »Sie ist nicht vernehmungsfähig. Sobald ich etwas Definitives höre, gebe ich Ihnen Bescheid.«
    Was sollte ›etwas Definitives‹ schon sein, wenn nicht der Tod? Ich fröstelte.
    »Noch etwas: Die Presse wird sich mit Schmackes auf diese Geschichte stürzen«, fügte Kommissarin Gelbach hinzu. »Im Moment halten meine Kollegen die Zufahrt zum Schloss für Schaulustige gesperrt. Aber früher oder später werden die Presseleute aufkreuzen. Seien Sie vorbereitet.«
    In dieser Angelegenheit brauchte ich keine Instruktionen. Ich würde keine Silbe von mir geben. Informationen jeder Art waren kostbar, und Menschen, die über Informationen verfügten, taten gut daran, sie gezielt und nach eigener Maßgabe einzusetzen.
    »Das schaffe ich«, sagte ich nur.
    Martha Gelbach drückte mir voller Mitgefühl die Hand, aber sie war in Gedanken schon bei der nächsten Aufgabe, die sie zu bewältigen hatte. Ich sah sie gemeinsam mit Gert Rotloh im Grünen Salon verschwinden, wo die Spurensicherung seit Stunden nach Kopfschuppen von Larissas nächtlichem Besuch fahndete.

4
    Polizeihauptkommissar Nero Keller klappte sein Notebook auf und aktivierte das E-Mail-Programm. Für seine Dozententätigkeit war er mit der modernsten und feinsten Technik ausgestattet worden, die das bayerische Landeskriminalamt sich leisten konnte. Wieder einmal klickte er die E-Mail an, die Kea Laverde ihm vor einer guten Woche geschrieben hatte. Sie wollte eine Weile in Unterfranken auf einem Schloss verbringen, wo sie die Autobiografie einer Gräfin zu Papier zu bringen plante.
    Obwohl er Kea schon seit einem Dreivierteljahr kannte, hatte er immer noch kaum einen Einblick in ihre Arbeit als Ghostwriterin. Er verstand einfach nicht, was Menschen dazu verleiten konnte, einer fremden Person ihre intimsten Geheimnisse zu erzählen. Noch mehr als seine Distanz zu Keas beruflicher Tätigkeit beunruhigte den Kommissar, dass in ihrer Beziehung nichts voranging. Nero Keller hatte sich schon kurz nach ihrem Kennenlernen in der Vorweihnachtszeit des
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