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Fliege machen

Fliege machen

Titel: Fliege machen
Autoren: Lucie Flebbe
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Bartstoppeln übersäte Gesicht
und Lachfältchen runzelten sich in seinen Augenwinkeln, als er mir über die
halbmondförmige Brille hinweg zuzwinkerte: »Sonst fangen die auch noch an zu
randalieren.«

    Ich trug die beiden Biergläser zum Tisch an der Theke, an
dem neben Danner jetzt auch Danners bester Kumpel Kriminalkommissar Lennart
Staschek saß.

    Â»Wieso schmeißt Molle den Penner nicht endlich raus?«,
knurrte Staschek genervt. »Der hatte doch schon vorm Mittag genug.«

    Der anschmiegsame braune Kaschmir des Pullunders
harmonierte perfekt mit dem dicken, welligen Haar des Kommissars und seinen
schönen, kastanienfarbenen Augen. Die Wahl der samtweichen Oberbekleidung
schien sogar auf seine Stimme abgestimmt zu sein, deren Klang einen Versicherungsverkäufer
im Telefondienst vermuten ließ. Dass Staschek seinen guten Geschmack gern auf
seine Frau schob, hatte ich ihm noch nie so ganz abgekauft. Denn das schmale
Gesicht des Polizisten schien auch jetzt im Januar ansprechend gebräunt, was
ich mir nur mit heimlichen Solariumbesuchen erklären konnte. Und zu denen zwang
ihn vermutlich doch eher die eigene Eitelkeit als seine patente Ehefau. In
jedem Fall hätte der attraktive Kommissar besser auf ein Werbeplakat für
Haarpflegeprodukte gepasst als in eine schmuddelige Kneipe in Bochum-Stahlhausen.

    Ich stellte die Gläser auf den Tisch.

    Â»Molle setzt doch nicht mal den Köter des Typen vor die
Tür«, beantwortete Danner Stascheks Frage gerade abwinkend.

    Missbilligend musterte der Detektiv den zottigen, kleinen
Hund, der neben den verdreckten Schuhen des Besoffenen auf dem Boden hockte.
Form und Farbe des Tieres ähnelten einem verschimmelten Wischmopp, der mithilfe
der Schädlingskolonien, die ihn bevölkerten, ein Eigenleben entwickelt hatte.
Das Schwanzende des haarigen Bodenputzers konnte man nur vom Kopfende
unterscheiden, weil es freundlich hin- und herwedelte, während Herrchen weiter
wahllos über Regierung, Gesellschaft, Finanzamt, die Krise, das Wetter und das
wackelnde Bein des Barhockers schimpfte.

    Danner lehnte sich zurück und klaute dem Besoffenen die
unter dessen Arm klemmende Tageszeitung. Der Schimpfende bemerkte den Diebstahl
nicht.

    Â»Molle würde den auch einziehen lassen, wenn er dreist
genug schnorrt«, brummte Danner und begann, die Schlagzeilen zu studieren.

    Gemeiner Tiefschlag in meine Richtung. Ich funkelte den
Detektiv wütend an.

    Gut, ich hatte mich dreist reingeschnorrt, in die gemütlich-schmuddelige
Männer-WG von Danner und Molle – aber ich hatte zumindest nicht gerochen, als
hätte ich ein halbes Jahrzehnt lang nicht geduscht. Und ich soff auch nicht die
Kneipenvorräte leer.

    Â»Der sucht bestimmt ein trockenes Plätzchen für die
Nacht«, vermutete Staschek. »Gleich kriegt er von mir ein kostenloses Taxi und
eine Gratisübernachtung in der Ausnüchterungszelle.«

    Der Penner hatte sich mittlerweile über die Theke zu
Molle gebeugt, damit der dicke Wirt ihm auch ganz sicher zuhörte. Er war klein
und stämmig und seine Haare und sein Bart hatten eine starke Ähnlichkeit mit
dem Fell seines Hundes. Zu einem geflickten, klein karierten Sakko trug er eine
ausgefranste Fliege um den Hals. Irgendwann war das Ding vermutlich mal rosa
gewesen. Damit erinnerte er an einen traurigen Clown.

    Immerhin ließ der Wohnungslose ein paar Eurostücke auf
die Theke klimpern und bezahlte sein Bier. Anscheinend hatte er genug Geld für
einen Vollrausch erbettelt. Was leider mal wieder die weit verbreitete Annahme
bestätigte, dass Penner die Almosen, die man ihnen gab, sowieso nur versoffen.

    Â»â€¦ und die Scheißweiber sind auch alle nur Finanzbeamte
mit Titten. Guck dir nur die Göre da an!«, schimpfte er, ohne Luft zu holen,
weiter und schwappte mit seinem Bier in meine Richtung.

    Interessiert richtete ich mich auf.

    Anscheinend war seine Nase für heute doch noch nicht
außer Gefahr.

    Â»Noch nicht mal volljährig und verdreht den Kerlen schon
den Kopf, die Schlampe! Das haste drauf, wa?«, pöbelte er mich jetzt direkt an.
»Den alten Fliege kannste aber nicht bezirzen, du kleine Nutte!«

    Danners Stuhl polterte zu Boden. Doch weil ich keine zwei
Meter neben dem Besoffenen gestanden hatte, war ich schneller.

    Ich packte den Clown an seiner fransigen Fliege und
schubste ihn mit dem Rücken gegen die Theke.

    Â»Pass auf, was
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