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Flieg, Hitler, flieg!: Roman

Flieg, Hitler, flieg!: Roman

Titel: Flieg, Hitler, flieg!: Roman
Autoren: Ned Beauman
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würdest du das
genau wie ich
genau wie wir alle
es ist unser hobby, und es ist unser leben
der einzige unterschied ist, dass die meisten von uns es sich nicht leisten können, einen agenten wie diesen waliser anzuheuern
aber du kannst es
plus, du fährst auf dieses ganze zeugs ab
attentäter, söldner, geheimagenten
da konntest du überhaupt nicht widerstehen
    Diesmal antwortete Stuart gar nicht, deshalb tippte ich:
    kevin: warum eigentlich »nbeauman«? wer ist das?
    stuart: ach
meine handpuppen werden nach dem zufallsprinzip kreiert
sonst könnte ich nicht widerstehen und würde irgendeinen abseitigen bezug zu meiner person herstellen, und dann wäre es zu einfach, rauszukriegen, dass ich es bin
es tut mir wirklich leid, kevin.
    Dann ging er offline.
    Ein paar Tage später ließ ich Sinner auf dem jüdischen Friedhof in Edmonton begraben. Mich persönlich interessieren solche Rituale nicht, aber da ich nun einmal daran beteiligt gewesen war, seine Totenruhe zu stören, glaubte ich, etwas tun zu müssen.
    Wenn ich an die Müllhalde in der Back Church Lane zurückdachte, wurde ich an ihre gewaltige Großnichte erinnert, das Waste Isolation Pilot Plant in New Mexico, ein Ort, der immer wieder in Stuarts Verschwörungstheorien auftauchte. Die US -Regierung vergräbt (jedenfalls behaupten sie, dass sie das tun) in einem Salzstollen in der Nähe der Stadt Carlsbad Tausende von Fässern voll radioaktivem Plutonium: das Schlimmste vom Schlimmsten, sozusagen das radioaktive Gegenstück zu Massenmördern, die in Isolationshaft in einem Hochsicherheitsgefängnis sitzen. Von diesem Atommüll wird noch Hunderttausende von Jahren lang Gefahr ausgehen, und die größte Herausforderung dieses Projekts liegt weniger in der ziemlich rabiaten Vorgehensweise als vielmehr in der Frage, wie man den Standort so markieren soll, dass neugierige Nordamerikaner es auch entziffern können, unabhängig davon, ob es sich bei ihnen um Höhlenbewohner oder um Robotermenschen handelt. Diese Nachkommen müssen durch Warnungen in die Flucht geschlagen werden.
    Aber dasselbe haben die Ägypter mit den Pyramiden versucht, und man sieht ja, was dabei herausgekommen ist. Daher sagen manche Anthropologen, man solle den Standort gar nicht kennzeichnen. Wie Sinner hoffen sie, dass ein unmarkiertes Grab nicht angetastet werden wird. Und wie Sinner irren sie sich wahrscheinlich. So oder so spielt es fast keine Rolle, ob ihr Verfahren den beabsichtigten Erfolg hat: Wenn man Angst hat, dass etwas einen mutieren lässt, dann ist man bereits mutiert.
    Ich hatte Tara Southall angerufen und gefragt, ob sie kommen wolle, und sie sagte, sie würde Blumen schicken, aber London sei ihr zu weit weg. Deshalb war ich an diesem warmen Dienstag der einzige Trauergast.
    Oder jedenfalls glaubte ich das zunächst. Nachdem der Rabbi die Zeremonie beendet hatte, dankte ich ihm, und er ließ mich am Grab zurück. In diesem Augenblick bemerkte ich in einiger Entfernung einen blassen, pummeligen Mann, der im Rollstuhl saß und mich anblinzelte. Ich erkannte sein Gesicht nicht, weil ich nicht einmal ein Foto von ihm kannte, aber natürlich wusste ich sofort, wer er war. Ich fragte mich, wie er von der Beerdigung erfahren hatte.
    Ich ging allerdings nicht hinüber, um mit ihm zu sprechen. Stattdessen rannte ich los, um den Rabbi einzuholen.
    »Rabbi«, sagte ich. »Ich muss eine Beichte ablegen.«
    Er blieb stehen. Eine angenehme Brise wehte, und instinktiv drehte ich mich, um sicherzustellen, dass der Wind von vorn kam.
    »Sie bringen die Religionen durcheinander«, sagte er lächelnd.
    »Ich weiß, ich weiß, aber – wissen Sie, ich habe ein Hobby, und es ist etwas Schreckliches. Ich sammle Nazizeugs. Jede Menge. Ich bin kein Nazi, das schwöre ich, aber ich habe diese riesige Sammlung. Ich war noch nie an so einem richtigen jüdischen Ort, und jetzt fühle ich mich auf einmal so –«
    »Memorabilien aus dem Dritten Reich?«
    »Ja.«
    Er legte eine Hand auf meinen Arm. »Machen Sie sich keine Gedanken. Ich bin selbst Sammler.«
    »Was?«
    »Nun ja, kein richtiger Sammler. Aber ich habe eine kleine Schachtel mit Tand zu Hause. Eine ganze Menge europäischer Juden haben so etwas. Ich habe sie von meinem Vater geerbt. Es ist, als hätte man eine Trophäe von einem toten Feind. Einen Skalp, wenn Sie so wollen.«
    »Oh.«
    »Ich bin sicher, auch Sie haben Ihre Gründe. Aber wenn es Sie inzwischen quält, sollten Sie die Sammlung abschaffen.«
    Den Rest des Tages verbrachte ich mit
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