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Fleischmarkt

Fleischmarkt

Titel: Fleischmarkt
Autoren: Laurie Penny
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Kind und Enkelkind von Hausfrauen, die die Hausarbeit hassten. Meine Großmutter, die sich zum Zeitpunkt der Niederschrift dieses Kapitels im Endstadium einer Krebserkrankung befindet, hat ihre Pflicht als immigrierte katholische Hausfrau erfüllt, indem sie in einer winzigen Sozialwohnung in Bristol sechs Kinder großzog. Als kluge und schöne Frau, die gerne lernte, hätte Marta Penny eigentlich studieren wollen, aber ihr kindlicher Ehrgeiz wurde schnell von dem Gebot gebrochen, dass sozio-ökonomische Macht einzig und allein in der Fantasiewelt des katholischen Heimes ausgeübt werden dürfe. Die Frustration über dieses überkommene Frauenbild hat meine Großmutter geprägt: Ihr ganzes Leben war unterhöhlt von Trübsal, Verbitterung und passiver Aggression, die aus ihrer Kindheit in Malta stammte, wo sie von ihrer eigenen Mutter gezwungen worden war, täglich die Fußböden mit einer alten Zahnbürste zu scheuern, um sich an harte Arbeit zu ›gewöhnen‹.
    Ihre jüngste Tochter, meine Mutter, ist eine hervorragende Strafverteidigerin, die ihre Karriere unterbrach, um für mich und meine Schwestern zu sorgen, nachdem sie den Versuch aufgegeben hatte, meinen Vater dazu zu bringen, seinen Teil der Arbeit zu übernehmen. Im Glauben groß geworden, dass Frauen ein Recht darauf haben, eine gute Ausbildung zu machen und Geld zu verdienen, war sie schockiert, als sie dieselben frustrierenden Erfahrungen machen musste wie ihre Mutter. Erst nach ihrer Scheidung ging es ihr besser.

Jenseits des goldenen Käfigs
    Auf die eine oder andere Weise macht dieses Feilschen um die Hausarbeit aus uns allen Feiglinge. Betty Friedans Text
Der Weiblichkeitswahn
war der zündende Funke, der in den 1960er und 1970er Jahren die Käfigtür aufstieß, aber wir wagten nicht, weit genug über die Schwelle dieses Käfigs hinauszuspringen – wie gezähmte Tiere. Unsere Arbeitskämpfe sind zaghaft, und wir sind langsam, wenn es darum geht, unsere eigene Verhandlungsstärke zu begreifen.
    Ich habe Hunderte von Frauen befragt, verheiratete und alleinstehende, mit Partner oder Mitbewohnern lebende Frauen in Europa, Nordamerika und Australien, wie sie ihre Hausarbeit organisieren und ob ihre Partner einen Teil der Last übernehmen. Hunderte Male waren die Antworten fast identisch: »Er kommt halt mit dem Abwasch nicht klar«, »Er versteht nicht, wie man die Wäsche sortiert, obwohl ich es schon so oft erklärt habe«, »Er sagt, er kann nicht, und meint eigentlich, er will nicht«. Die häufigste Antwort: »Er sagt, er sieht den Dreck nicht, den ich sehe.« Eine Frau weinte, als sie mir erzählte, dass sie und ihre behinderte Mutter für einen aufsässigen, alkoholabhängigen Vater und zwei Brüder kochen, putzen und sorgen müssen, obwohl sie selbst alleinerziehende Mutter ist und studiert. »Es ist wie ein Krieg«, sagte sie.
    Jeder, der über sieben Jahre alt ist, weiß, wann »ich kann nicht« in Wirklichkeit »ich will nicht« bedeutet. Was zunächst wie individueller Groll der Frauen und Mädchen aussah, die ich interviewt hatte, wurde als allgemeine Klage deutlich: Alles, was Männer und Jungen tun müssen, um häusliche Pflichten zu vermeiden, ist, auf stur zu schalten und sich zu weigern, den Dreck zu sehen, obwohl sie genau wissen, dass Schwamm und Klobürste sie sehr wohl etwas angehen; sitzen bleiben und im eigenen, immer schlimmer werdenden Dreck vergammeln; den Siff aussitzen. Vielleicht kommt ja ein weibliches Wesen aus der Nachbarschaft vorbei und krempelt, wenn auch widerwillig, die Ärmel hoch, um die Sauerei wegzuputzen.
    Dabei ist es gar nicht so, dass Männer gegenüber Dreck eine höhere Toleranzschwelle haben – ganz im Gegenteil! Neuere Studien haben gezeigt, dass etwa der gleiche Prozentsatz von erwachsenen Männern und Frauen zuhause »viel oder sehr viel Wert« auf die Einhaltung von Hygienestandards und Behaglichkeit legen. Vielmehr ist es so, dass die Gleichberechtigung an der Tatsache scheitert, dass Männer als Mitglieder der häuslichen Bourgeoisie und damit einer privilegierten Gruppe individuell viel mehr zu verlieren haben, wenn sie sich mit der Feigheit dieses »ich kann nicht« auseinandersetzen. Wir haben es also nicht mit vereinzelten Kämpfen in getrennten Haushalten zu tun, sondern mit einem systematischen Angriff auf die Rechte von Frauen als Arbeiterinnen.
    Meine Generation, die nach dem vorgeblichen Sieg des Feminismus geboren ist, wuchs mit diesem Arbeitskampf vor der eigenen Nase auf. Unsere
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