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Fleischmarkt

Fleischmarkt

Titel: Fleischmarkt
Autoren: Laurie Penny
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manipulierbar und für Niedriglohnarbeit geboren betrachtet, und weil wir selbst uns auch so sehen, kapitulieren wir – wir geben unseren Widerstand auf und werden zu Streikbrechern.

Häusliche Fronarbeit
ist eine kapitalistische Konstruktion
    Während der Recherchen für dieses Kapitel habe ich Frauen jeden Alters und jeder Klasse aus westlichen Ländern interviewt, denen der Balanceakt zwischen Hausarbeit und bezahlter ›echter‹ Arbeit gelingt, und mein wichtigster Eindruck war der von Defätismus und Paralyse. Frauen, egal, ob sie sich als Feministinnen sehen oder nicht, fühlen sich schuldig für den Zustand ihrer Wohnungen und Häuser, ebenso wie wir uns schuldig für den Zustand unserer Körper fühlen. Wir schämen uns, wenn der Eindruck entsteht, wir hätten irgendwie die Kontrolle verloren und wären des Frauseins, wie es gesellschaftlich interpretiert wird, nicht würdig. »Nicht fähig zu sein, das Haus in Ordnung zu halten, wird mit dem vollständigen Zusammenbruch gleichgesetzt«, sagt Lucy, 38, eine Vollzeitmutter. »Jedes Mal, wenn Fremde an meiner Tür stehen, fürchte ich, dass sie den schmuddeligen Flur hinter mir und das Sofa mit den Hundehaaren drauf entdecken und denken, ›diese Frau hat ihr Leben nicht im Griff‹. Ich fühle mich, als ob meine ältere Nachbarin reinschaut und denkt, ich sei eine Schande für mein Geschlecht.« Die Feminisierung der Hausarbeit lässt sie gleichzeitig trivial und als wesentlichen Teil der weiblichen Identität erscheinen. Hausarbeit und Kinderbetreuung sind keine echte Arbeit, weil Frauen sie verrichten – und weil sie von Frauen mit ihren bis zur Unwirklichkeit marginalisierten Körpern verrichtet wird, ist sie keine echte Arbeit.
    In Wirklichkeit ist Hausarbeit überhaupt nicht trivial. Ohne die Arbeit, die Frauen umsonst leisten, würde jede westliche Ökonomie innerhalb weniger Tage kollabieren. Der Betrag, der Frauen für ihre unbezahlte Betreuungsund Hausarbeit zustünde, wäre in den USA sechsmal höher als der nationale Verteidigungsetat, und der ist in den USA bekanntermaßen nicht gerade klein.
    Es gibt ein Wort für das, was passiert, wenn man Menschen in einem Haus in die Falle lockt, sie dann über Generationen hinweg ohne Bezahlung arbeiten lässt und ihnen erklärt, dass sie zu nichts anderem zu gebrauchen seien. Es gibt auch ein Wort dafür, was passiert, wenn Generationen von Kindern beiderlei Geschlechts in einer Umgebung aufwachsen, die von Verachtung geprägt und mit den Kontrollmechanismen ausgestattet ist, die Frauen dazu bringen, ihre Arbeit umsonst zu tun. Und es gibt ein Wort dafür, was passiert, wenn Haus und Arbeit zuhause untrennbar mit Selbstverneinung, Missbrauch und unterdrückter Wut einhergehen – und dieses Wort ist Trauma. Die gesamte westliche Gesellschaft ist durch unsere komplexe Beziehung zur Ökonomie der Hausarbeit traumatisiert. Keine Familie entkommt dem.
    Nur wenn wir uns klarmachen, dass wir in einer Kultur leben, die emotional, körperlich, sexuell und psychologisch traumatisiert ist, können wir verstehen, warum wir in den Bereichen des Lebens, in denen Zuwendung und Selbstfürsorge wichtig sind, so grausam scheitern. Beim Frauenseminar der Compass Conference im Jahr 2009 fragten Teilnehmerinnen aus dem Publikum, warum Hausarbeit nach wie vor so unterbewertet sei. Sie ist so unterbewertet, weil wir langsam aber sicher das Haus in einen Ort der Sklaverei, des Leidens und des Traumas verwandelt haben. Kein Wunder, dass Männer sich scheuen, den Fußboden zu schrubben. Der Feminismus hat es nicht geschafft, das zu ändern.

Was man nicht ausspricht: Geschichte umschreiben
    Die Marginalisierung des weiblichen Körpers innerhalb des Hauses lässt sich nur im Kontext des Kapitalismus verstehen. Schließlich war es der industrielle Kapitalismus, der die Bedingungen zur Entwertung der Hausarbeit und gleichzeitigen Entwertung der Frau schuf und aufrechterhielt.
    Historikerinnen wie Leonore Davidoff und Catherine Hall haben beschrieben, wie zwischen 1780 und 1850 die unterschiedlichen Lebensbereiche für Männer und Frauen entstanden, indem Arbeitsplätze außerhalb des Hauses geschaffen wurden und eine private, häusliche Sphäre für die Frau entstand, sodass die Prozesse der Produktion und Reproduktion formal und symbolisch getrennt wurden. Die einfachen Tätigkeiten des Erschaffens und Erhaltens von Leben passten nicht mehr in die profitorientierten, gewinn- und zielgerichteten Vorstellungen der kapitalistischen
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