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Fleischessünde (German Edition)

Fleischessünde (German Edition)

Titel: Fleischessünde (German Edition)
Autoren: Eve Silver
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sie ziemlich scharf gefunden. Aber eben auch reichlich durchgeknallt. Keine so glückliche Kombination für seinen Seelenfrieden. Denn obwohl die Rollen klar verteilt gewesen waren – schließlich hatte ja nicht er sie in den Keller geschleppt, sondern umgekehrt –, war er sich danach wie ein Stück Dreck vorgekommen. Egal. Irgendein Teufel hatte sie geritten. Ihr Problem lag offenbar tief, und er oder sein Verhalten hatten nichts damit zu tun.
    Außerdem hatte er selbst genug Probleme. Das größte war, endlich die Mörder seines Bruders ausfindig zu machen. Deshalb war er hier, denn die Spur hatte ihn zu Kuznetsov geführt, und Ablenkung konnte er jetzt nicht gebrauchen.
    Lange musste Malthus nicht warten. Schon nach etwa zwanzig Minuten kam ein Taxi um die Ecke gebogen. Malthus beugte sich so weit vor, wie es möglich war, ohne die Balance zu verlieren.
    Tatsächlich hielt der Wagen, und Hochwürden Kuznetsov stieg aus. Allerdings nicht er allein. Ihm folgte eine Frau in einem weißen Mantel mit langem, schwarzem Haar. Sie blieb beim Taxi stehen und ließ die Hand auf der offenen hinteren Wagentür ruhen, ohne sie zu schließen.
    Malthus fluchte still in sich hinein. Für gewöhnlich kam der Setnakht-Priester Kuznetsov allein nach Hause. Dass er ausgerechnet jetzt an zwei Abenden hintereinander seinen Gewohnheiten untreu wurde, war mehr als ärgerlich.
    Kuznetsov beugte sich vor, sagte etwas zum Fahrer und wandte sich dann wieder seiner Begleiterin zu. Mit einer graziösen Geste schüttelte sie leicht den Kopf. Aus der Entfernung betrachtet wirkte sie gefasst und ein wenig verträumt – nein, eher von einer seltenen, heiteren Gelassenheit, die sich in ihrer ganzenHaltung widerspiegelte. Zu gern hätte Malthus ihr Gesicht gesehen, das hinter dem langen Haar verborgen war.
    Kaum hatte er diesen Gedanken zu Ende gedacht, hob die Frau den Kopf und sah direkt zu ihm herauf. Als ob sie damit gerechnet hatte, ihn hier oben zu entdecken. Das war nun allerdings ein Ding der Unmöglichkeit, denn Malthus konnte sich wie alle Seelensammler durch eine trickreiche Verschiebung seiner Moleküle nach Belieben sichtbar oder unsichtbar machen; und im Augenblick bevorzugte er die unsichtbare Variante. Jeder, ob sterblich oder nicht, hätte nichts weiter sehen können als einen leeren Balkon. Trotzdem blickte die Frau geradewegs zu ihm hinauf.
    Nach wenigen Augenblicken wandte sie den Blick wieder ab. Kuznetsov griff im Versuch, sie an sich zu ziehen, nach ihrer Hand, aber die Frau sträubte sich. Dann trat er auf sie zu und machte Anstalten, sie zu umarmen. Für Malthus war es schwer zu erkennen, ob sie die Umarmung nun doch erwiderte. Für einen Moment sah es so aus, als hätte sie Kuznetsov den einen Arm unter den Mantel geschoben und ihm die andere Hand in den Nacken gelegt. Malthus glaubte jedoch, dass dieser Schein trog. Trotzdem schien sie sich nicht gerade vehement gegen seine Annäherungsversuche zu wehren, auch wenn sie jetzt den Kopf abwandte, um nicht geküsst zu werden.
    Gleich darauf fand die Szene ein Ende. Die Frau trat zurück und stand wieder neben der immer noch offenen Wagentür des Taxis. Etwas an ihr weckte Malthus’ Interesse. Er richtete konzentriert seine Sinne auf sie. Hatte sie übernatürliche Kräfte? Er spürte nicht den Hauch davon. Alles sprach dafür, dass sie eine Normalsterbliche war, und dennoch sagte sein Instinkt ihm etwas anderes. Dass er keine Vibration von ihr wahrnahm, musste nichts heißen. Auch er konnte seine übernatürlichen Kräfte vor anderen verbergen.
    Nachdem die Frau noch etwas zu Kuznetsov gesagt hatte, stieg sie in den Wagen. Sichtlich erbost warf Kuznetsov die Türhinter ihr zu; der Wagen setzte sich in Bewegung und war wenig später um die Ecke verschwunden.
    Der Hohepriester des Sutekh-Tempels stand noch eine Weile am Bordstein und blickte die verlassene Straße hinunter. Malthus konnte sich seinen Gesichtsausdruck sehr gut vorstellen. Die Aussicht auf einen schönen Abend und eine noch schönere Nacht hatte sich gerade verabschiedet. Nun stand Hochwürden da wie ein begossener Pudel. Schließlich gab Kuznetsov sich einen Ruck und verschwand durch den Hauseingang im Gebäude.
    Allmählich brach die Nacht herein. Die Luft wurde kühler, und nach und nach erwachten die Lichter der Stadt. Kuznetsov und alles, was er wusste, waren zum Greifen nahe.
    Es wurde, verdammt noch mal, auch höchste Zeit. Lokans Seele war verschollen, sein zerstückelter Körper war in alle vier
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