Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fleisch und Blut

Fleisch und Blut

Titel: Fleisch und Blut
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
wissen gibt, nichts Aufregendes.«
    Ich wartete ein paar Sekunden. »Lauren, läuft wirklich alles so gut wie möglich für Sie?«
    Sie musterte mich durch körnige schwarze Wimpern, griff wieder in ihre Handtasche und zog eine Packung Virginia Slims heraus.
    Als sie ein Feuerzeug hervorholte, schüttelte ich den Kopf.
    »Ach, hören Sie auf.«
    »Tut mir Leid.«
    »Wie können Sie das tun? Die Leute kommen doch völlig gestresst hier an. Beklagen die sich nicht - ist Jane nicht die Wände hochgegangen? Sie ist der reinste Schornstein.«
    »Hauptsächlich kommen Kinder und Teenager zu mir«, sagte ich.
    »Kinder und Teenager.« Sie schnaubte kurz. »Alle Teenager, die ich kenne, rauchen. Sind Sie allergisch oder was?«
    »Einige meiner Patienten.«
    »Warum müssen dann alle unter so wenigen leiden? Das ist nicht demokratisch.«
    »Es ist rücksichtsvoll«, sagte ich.
    »Prima. « Sie rammte die Packung wieder in die Handtasche. »Wie lange jetzt noch?«

2
    Das zweite Mal kam sie zwanzig Minuten zu spät, eilte ins Büro und murmelte etwas, das eine Entschuldigung hätte sein können.
    Dieselbe Aufmachung, andere Farbgebung: schwarzer ärmelloser Pulli, Shorts in Sonnenbrandrosa, Lippen durch knallrote Paste vergrößert.
    Dieselben instabilen Sandalen, dieselbe billige kleine Handtasche. Sie roch nach Tabak und einem Rosenparfum. Ihre Wangen waren gerötet, ihre Haare durcheinander.
    Sie brauchte lange, bis sie im Sessel saß, und sagte schließlich: »Bin aufgehalten worden.«
    »Sie und Ihre Freunde?«
    »Yeah.« Sie warf die Haare zurück. »Tut mir Leid.«
    »Wo wurden Sie aufgehalten?«
    »In der Gegend ... vom Pier.«
    »Santa Monica?«, sagte ich.
    »Uns gefällt's am Strand.« Sie massierte eine nackte braune Schulter.
    »Schöner sonniger Tag«, sagte ich lächelnd. »Die Schule muss früh Schluss gemacht haben.«
    Plötzlich perlte helles Lachen zwischen ihren knallroten Lippen hervor. »Genau.«
    »Die Schule ist langweilig, nicht?«
    »Die Schule müsste Aufputschmittel geschluckt haben, um langweilig zu sein.« Sie brachte die Zigarettenpackung zum Vorschein und klopfte mit ihr auf ein glänzendes Knie. »Als ich klein war, hat man meinen IQ getestet. Ich soll superschlau sein. Die sagen, ich sollte mehr lernen. Ich sage, ich bin schlau genug, um zu wissen, dass das Zeitverschwendung ist.«
    »Kein Interesse an irgendeinem Fach?«, sagte ich.
    »Ernährung - ich liebe dieses Knoblauchbrot. Reden wir heute über Sex?«
    Darauf war ich nicht gefasst. »Ich kann mich nicht erinnern, dass wir das vorgesehen haben.«
    »Die haben das vorgesehen. Die haben mich angewiesen, mit Ihnen darüber zu reden.«
    »Ihre Eltern?«
    »Yeah.«
    »Warum?«
    »Es ist vor allem Lyles Idee. Er ist überzeugt, dass ich rumvögle, schwanger werde, ihm einen ›kleinen Niggerenkel‹ aufhalse. Als ob es was bringen würde, wenn das so wäre. Als ob ich einem Außenstehenden gegenüber mein Innerstes nach außen kehren würde, nur weil ich nicht mit ihnen rede.«
    »Manchmal kann es sicherer sein, mit einem Außenstehenden zu reden.«
    »Das gilt vielleicht für manche Leute«, sagte sie. »Aber erklären Sie mir mal Folgendes: Wenn du jung bist, predigt dir jeder andauernd, rede nie mit Fremden, nimm dich in Acht vor Fremden, hüte dich vor Fremden. Und jetzt bezahlen sie dafür, dass ich meine Geheimnisse einem Fremden erzähle?«
    Sie fuhr mit einem Fingernagel unter die Cellophanhülle der Packung, schlitzte sie auf, spielte mit der Folie herum. »Was für ein Blödsinn.«
    »Vielleicht hoffen sie, dass Sie mich schließlich nicht mehr als Fremden ansehen.«
    »Da können sie lange hoffen.« Leises, angespanntes Lachen. »Hey, ich will nicht unhöflich sein, es hört sich nur so an - tut mir Leid, Sie machen einen netten Eindruck. Es ist nur so, dass ich hier nichts verloren habe, okay? Machen Sie sich nichts vor: Die benutzen Sie nur, um mich zu bestrafen - wie wenn sie mir Hausarrest geben oder mir drohen, dass sie mich nicht den Führerschein machen lassen. Davon hat nichts funktioniert, und das hier wird auch nicht funktionieren. Damit du kontrolliert werden kannst, müssen dir bestimmte Dinge was bedeuten, und das ist bei mir nicht der Fall.«
    »Wofür sollen Sie bestraft werden, Lauren?«
    »Sie sagen, es sei meine Einstellung«, antwortete sie, »aber wissen Sie, was ich glaube? Ich glaube, sie sind eifersüchtig.«
    »Worauf?«
    »Dass ich glücklich bin.«
    »Sie sind glücklich und Ihre Eltern nicht.«
    »Sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher